Leitsatz
Das OLG Zweibrücken hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage einer rückwirkenden Entziehung der elterlichen Sorge - bzw. eines Teilbereichs der elterlichen Sorge - sowie den Voraussetzungen der Aufhebung einer Verbleibensanordnung auseinandergesetzt.
Sachverhalt
Aus der mit Urteil vom 21.2.2006 geschiedenen Ehe der Eltern waren die Kinder A. und N. hervorgegangen. Mit Beschluss vom 27.8.2001 hatte das AG den Kindeseltern die Personensorge für beide Kinder entzogen und auf das Jugendamt übertragen. In Vollzug dieser familiengerichtlichen Entscheidung wurden die Kinder Ende August 2001 in einer Pflegefamilie untergebracht, wo N. sich seither aufhielt und A. sich bis zum 12.6.2010 aufgehalten hatte. An diesem Tage wechselte sie in den Haushalt des Kindesvaters.
Im Ehescheidungsverbundverfahren hatten beide Eltern jeweils für sich beantragt, die elterliche Sorge auf sie - jeweils allein - zurückzuübertragen. Gegen die ablehnende Entscheidung des Familiengerichts hatten beide Eltern Rechtsmittel eingelegt. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zog die Kindesmutter ihren Antrag zurück und schloss sich dem Antrag des Kindesvaters an, die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder auf ihn allein zurückzuübertragen. Vom OLG wurde seinerzeit ein kinderpsychologisches Gutachten eingeholt. Nach Vorlage des Gutachtens und Anhörung der beteiligten Kinder, der Eltern, der befassten Mitarbeiter des Jugendamtes sowie der Pflegemutter erließ das OLG einen Beschluss dahingehend, dass die elterliche Sorge für beide Kinder auf den Vater übertragen wird. Zugleich ordnete das OLG den Verbleib beider Kinder in der Pflegefamilie an.
Zur Begründung führte das OLG aus, dass keine Gründe mehr gegeben seien, die die Aufrechterhaltung der das Elternrecht ganz erheblich einschränkenden Maßnahme des Personensorgerechtsentzugs erforderten. Der Kindesvater habe durch sein Verhalten und seine Äußerungen in den Anhörungsterminen belegt, dass er durchaus Verständnis für die schwierige Situation seiner Kinder habe, die sich gegenwärtig noch entschieden gegen eine Rückkehr in seinen Haushalt sträubten.
In der Folgezeit unternahm der Kindesvater Bemühungen zur Rückführung der Kinder in seinen Haushalt. Das Jugendamt regte nach diversen Unstimmigkeiten mit ihm mit Schriftsatz vom 30.3.2010 an, ihm einen Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht, Jugendhilfe zu beantragen, für die Maßnahme "Unterbringung in der Pflegefamilie" zu entziehen und dieses Recht auf den Antragsteller als Pfleger zu übertragen.
Das Jugendamt hat seinen Antrag damit begründet, dass der Antragsgegner auf rechtsmissbräuchliche Weise seine Vollmachtstellung als Sorgerechtsinhaber nutze und den Pflegeeltern durch die Rücknahme des Antrages auf Hilfe zur Erziehung die wirtschaftliche Grundlage für die weitere Betreuung der beiden Pflegekinder nehme. Um den Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie sicherzustellen, sei ein gültiger Jugendhilfeantrag erforderlich. Im Termin zur mündlichen Anhörung vor dem Familiengericht am 11.5.2010 hat das Jugendamt den Antrag gestellt, dem Antragsgegner rückwirkend am 01.04.2008 den genannten Teilbereich der elterlichen Sorge zu entziehen.
Vom Familiengericht wurden die Anträge des Jugendamtes zurückgewiesen.
Hiergegen wandte sich das Jugendamt mit der Beschwerde und hielt sein erstinstanzliches Begehren des teilweisen Sorgerechtsentzugs aufrecht.
Im Termin zur mündlichen Anhörung wurden die Beteiligten persönlich angehört. Das Kind A. war zwischenzeitlich in den Haushalt seines Vaters gewechselt. Das Kind N. sprach sich für einen weiteren Verbleib in der Pflegefamilie aus.
Das Rechtsmittel des Jugendamtes blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG wies darauf hin, dass eine Einschränkung des Sorgerechts nach § 1666 BGB nur in Betracht komme, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet werde und der Sorgeberechtigte nicht gewillt oder in der Lage sei, die Gefahr abzuwenden. Gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB gehöre zu den gerichtlichen Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB u.a. das Gebot, öffentliche Hilfen wie z.B. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus sei nach § 1666 BGB auch ein teilweiser oder vollständiger Entzug des Sorgerechts möglich.
Da jede gerichtliche Maßnahme nach § 1666 BGB auch in das nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht eingreife, müsse eine nachhaltige und schwerwiegende Kindeswohlgefährdung vorliegen. Eine solche liege dann vor, wenn eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung abzusehen sei.
Hieraus folge, dass kaum Fallgestaltungen denkbar seien, unter denen eine Maßnahme - so wie vom Antragsteller begehrt - für die Vergangenheit getroffen werden könne. Jedenfalls scheide im vorliegenden Verfahren ein rückwirkender (teilweiser) Entzug der elterlichen Sorge aus. Beide Kinder seien auch in der Zeit nach dem 1.4.2008 tatsächlich in der Pflegefamilie untergebracht ge...