Leitsatz

Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage nach dem Maßstab der Entscheidung bei der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auseinandergesetzt, wenn der bei gemeinsamer elterlicher Sorge betreuende Elternteil beabsichtigt, mit dem Kind in ein entferntes Land (hier: Mexiko) auszuwandern.

In der Praxis führt die Absicht des betreuenden Elternteils, an einen weit entfernten Ort umzuziehen oder in gar in einen anderen Kontinent auszuwandern, zu einer besonderen Problematik. Der persönliche Kontakt zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil ist nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich. Es stellt sich daher die Frage, ob dem betreuenden Elternteil ein Umzug mit dem Kind untersagt werden kann.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten zu 1) und 2) waren Eltern einer am 12.5.2001 geborenen Tochter. Die kurz vor der Geburt des Kindes geschlossene Ehe wurde am 24.11.2004 geschieden. Die Eltern waren auch nach der Scheidung weiterhin gemeinsam sorgeberechtigt. Das Kind lebte seit der Trennung seiner Eltern im Jahre 2003 bei der Mutter und besuchte die Grundschule. Die Mutter war freiberufliche Kommunikationswissenschaftlerin und als solche in Teilzeit Projektleiterin in der Marktforschung. Der Vater war selbständig.

Die Mutter beabsichtigte, mit der Tochter zu ihrem Lebensgefährten nach Mexiko umzuziehen, der dort in außerordentlich guten finanziellen Verhältnissen mit eigenem Haus und großem Grundstück lebte. Sie beabsichtigte, mit ihm eine Ferienpension zu eröffnen. Im Übrigen wollte die Kindesmutter im Baugeschäft ihres Lebensgefährten mitarbeiten.

Der Vater war mit einer Übersiedlung des Kindes nach Mexiko nicht einverstanden. Er befürchtete erhebliche Einschnitte in die Beziehung des Kindes zu ihm und hielt die Auswanderungsentscheidung der Mutter für eine riskante Lebensplanung, weil sie ihr privates und berufliches Schicksal mit ihrem Lebensgefährten verknüpfe.

Die Eltern hatten beim FamG gegenläufige Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt. Das AG hat sich entsprechend der Empfehlung des Jugendamtes sowie der Verfahrenspflegerin gegen eine Übersiedlung des Kindes nach Mexiko ausgesprochen und die Anträge beider Eltern zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Mutter hat das OLG das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen.

Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Vaters, mit der er neben der Zurückweisung des Antrags der Mutter weiterhin die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich erstrebte.

 

Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidung des OLG wegen Verfahrensfehlern auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Das OLG habe seine Feststellungen zum Willen des Kindes und seine Interessen nicht verfahrensfehlerfrei getroffen. Gleiches gelte für die in Betracht kommende Alternative eines Wechsels des Kindes zum Vater.

Die Entscheidung der Mutter, nach Mexiko auswandern zu wollen, entspreche nicht notwendig dem Kindeswohl am besten und setze sich auch nicht ohne weiteres gegen das Elternrecht des Vaters durch.

Entscheidend sei vielmehr, welche Alternative dem Kindeswohl besser diene und wie die im Einklang mit dem Kindeswohl auszuübenden Elternrechte beider Eltern zu einem schonenden Ausgleich zu bringen seien.

Für die Beurteilung des Kindeswohls und die Abwägung der beiderseitigen Elternrechte sei nicht davon auszugehen, dass der hauptsächlich betreuende Elternteil mit dem Kind im Inland verbleibe, selbst wenn diese Möglichkeit dem Kindeswohl am besten entspreche.

Tatsächlicher Ausgangspunkt müsse vielmehr sein, dass der Elternteil seinen Auswanderungswunsch in die Tat umsetze. Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss ständen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht zur Überprüfung des FamG. Es komme insoweit auch nicht darauf an, ob der Elternteil triftige Gründe anführen könne. Folglich ständen dem FamG keine Möglichkeiten zur Verfügung, die allgemeine Handlungsfreiheit des ausreisewilligen Elternteils einzuschränken. Ihm könne die Ausreise auch nicht in zulässiger Weise untersagt werden.

Die Befugnisse des FamG beschränken sich vielmehr auf das Kind. Die Beurteilung des Gerichts habe sich darauf zu konzentrieren, wie sich die Auswanderung auf das Kindeswohl auswirke. Bei einem ersichtlich unvernünftigen Vorhaben, das mit nicht vertretbaren Risiken für das Kind verbunden sei, gebe dies bei bestehender Erziehungseignung des anderen Elternteils regelmäßig den Ausschlag dafür, diesem das Sorgerecht zu übertragen.

Andererseits stehe einer Auswanderung mit dem Kind nicht ohne Weiteres die gesetzliche Regelung in § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB entgegen, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen gehöre.

Bei dieser Vorschrift handele es sich um die gesetzliche Klarstellung eines einzelnen Kindeswohlaspekts. Diesem Gesichtspunkt komme jedoch kein genereller Vorrang ggü. anderen Kindeswohlkriterien zu. Dies gelte auch für das Wohlverhaltensgebot des § 1684 Abs. 2 BGB.

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