Zum 01.01.2020 ist das Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 10.12.2019 in Kraft getreten. Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz werden unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Menschen zukünftig entlastet, die Leistungen der Hilfe zur Pflege oder andere Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Dies wird insbesondere dadurch bewirkt, dass auf ihr Einkommen zukünftig erst ab einem Jahresbetrag von mehr als 100.000 EUR zurückgegriffen werden kann.
1.2.1 Änderungen durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz
Die für den Elternunterhalt relevanten zentralen gesetzlichen Änderungen beziehen sich auf die Vorschriften zum zu berücksichtigenden Einkommen und den Regress (§§ 43, 94 SGB XII). Die Vorschriften sind aus § 43 Abs. 5 und § 94 Abs. 1 SGB XII a. F. in dem neu eigefügten § 94 Abs. 1a SGB XII zusammengefasst. Dort heißt es wörtlich:
"Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder."
Demnach ist der Anspruchsübergang bis zu einem Gesamteinkommen von 100.000 EUR ausgeschlossen. Bei den 100.000 EUR handelt es sich um einen pauschalen Wert, der an dem Bruttoeinkommen anknüpft. Dieser Grenzbetrag gilt für jeden Unterhaltspflichtigen individuell. Eine Addition der Einkommen von Ehe- oder Elternpaaren findet nicht statt.
Problematisch sind derzeit die Fälle, in denen die Einkommensgrenze überschritten wird. Denn die Neuregelungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes sind noch nicht in die Selbstbehaltsätze der Düsseldorfer Tabelle eingeflossen. Die Selbstbehaltssätze wurden zum 1.1.2020 moderat von 1.800 EUR auf 2.000 EUR angehoben (für den mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten von 1.440 EUR auf 1.600 EUR). Diese Erhöhung wurde von der Leitlinienkonferenz der Oberlandesgerichte Anfang November 2019 festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war das Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes noch nicht spruchreif, da die Zustimmung des Bundesrates zum Angehörigen-Entlastungsgesetz erst danach (am 29.11.2019) erfolgte. Würde es bei den aktuellen Selbstbehaltssätzen verbleiben, könnte der 100.001 EUR brutto verdienende Unterhaltspflichtige zu recht hohen Elternunterhaltsbeträgen herangezogen werden können während der 100.000 EUR brutto verdienende Unterhaltspflichtige keinen Elternunterhalt zahlen müsste. Es ist daher notwendig, den Selbstbehalt unterhaltspflichtiger Kinder in entsprechender Höhe anzupassen. Gefordert wird z. B. eine Erhöhung des Selbstbehaltes auf 5.000 EUR und bei Zusammenleben des Kindes mit einem Ehegatten die Erhöhung des Familiensockelselbstbehaltes auf 9.000 EUR.
1.2.2 Berechnung der Einkommensgrenze von 100.000 EUR
§ 94 Abs. 1a SGB XII verweist auf § 16 SGB IV, soweit es um die Ermittlung der Einkommensgrenze von 100.000 EUR geht. Gemäß § 16 SGB IV ist Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte i. S. des Einkommenssteuerrechts. Hierunter fallen nach § 2 Abs. 3 EStG Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 EStG. Bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zählt der Gewinn vor Steuern. Bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung ergeben sich die Einkünfte aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Private Nutzungen (z. B. Dienstwagen) sind mit steuerlichen Werten zuzurechnen (vgl. §§ 6, 8 Abs. 2 EStG). Betriebsausgaben (§ 4 EStG) und Werbungskosten (§ 9 EStG) sind bei der jeweiligen Einkunftsart in tatsächlicher Höhe von den Erträgen abzusetzen. Kinderbetreuungskosten sind bis zu der nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abziehbaren Höhe zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 5a S. 2 EStG).
Das folgende Rechenschema kann zur Ermittlung der Einkommensgrenze herangezogen werden:
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
+ Einkünfte aus Gewerbebetrieb
+ Einkünfte aus selbständiger Arbeit
+ Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
+ Einkünfte aus Kapitalvermögen
+ Einkünfte aus Vermietung und Ve...