Wie bereits angedeutet, sind bei der Bearbeitung von Elternunterhaltsfällen auch sozialrechtliche Regelungen von Bedeutung. Besonders praxisrelevant sind in diesem Zusammenhang
- der Übergang von Ansprüchen gemäß § 93 SGB XII,
- der Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen gemäß § 94 SGB XII und
- die Auskunftsverpflichtung nach § 117 SGB XII.
Daneben gibt es zahlreiche weitere sozialrechtliche Vorschriften – insbesondere des SGB XI und SGB XII –, die bei der Mandatsbearbeitung von Elternunterhaltsfällen relevant sein können.
2.1 Der Anspruchsübergang nach § 93 SGB XII
Der Sozialhilfeträger hat nach § 93 SGB XII die Möglichkeit, Ansprüche, die der Leistungsberechtigte gegenüber Dritten hat, durch eine bloße schriftliche Anzeige bei dem Dritten auf sich überzuleiten und geltend zu machen. Diese Vorschrift soll den Nachrang der Sozialhilfe gem. § 2 SGB XII verwirklichen. Die Überleitungsanzeige stellt einen Verwaltungsakt dar, gegen den Widerspruch oder Anfechtungsklage möglich sind, jedoch keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 93 Abs. 3 SGB XII).
Auch nach Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes bleiben Rückforderungen von Schenkungen möglich. Der Sozialhilfeträger ist nach wie vor nicht gehindert, entsprechende Ansprüche auf sich überzuleiten und die Herausgabe von Geschenken oder Wertersatzansprüche geltend zu machen.
Für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII genügt es bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist. Entscheidend ist nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind In Elternunterhaltsfällen spielt die Überleitung nach § 93 SGB XII insbesondere im Zusammenhang mit Schenkungsrückforderungen nach § 528 BGB eine Rolle. Die Prüfung, ob der übergeleitete Anspruch besteht, ist Sache der Zivilgerichte. Besteht der Anspruch nicht, geht die Überleitung ins Leere. Soweit ein Anspruch besteht, führt die wirksame Überleitung zu einem Gläubigerwechsel, sodass nicht der ursprüngliche Anspruchsinhaber, sondern der Sozialhilfeträger Gläubiger des Anspruchs ist und diesen gegen den Beschenkten geltend machen kann. Der Anspruch bleibt in seinem Rechtscharakter unverändert.
V lebt in einem Pflegeheim und erhält Sozialhilfe. Seinem Sohn S hat er vor 5 Jahren eine Immobilie schenkungsweise übertragen. Das Sozialamt schickt dem S eine Überleitungsanzeige gemäß § 93 SGB XII, mit welcher schriftlich angezeigt wird, dass der Rückforderungsanspruch von V gegen S gemäß § 528 BGB auf das Sozialamt übergeleitet wird. Wenn S der Meinung ist, dass ein Rückforderungsanspruch nach § 528 BGB nicht besteht, muss das Sozialamt den S vor dem Zivilgericht verklagen.
2.2 Der Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII
Der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen die Kinder geht, nachdem das Sozialamt in Vorleistung getreten ist, gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bis zur Höhe der gewährten Leistungen auf den Sozialhilfeträger über. Das Sozialamt kann dann also den Unterhaltsanspruch, den der Vater oder die Mutter gegen das Kind haben, im eigenen Namen gegen das Kind geltend machen. Voraussetzung für den gesetzlichen Anspruchsübergang ist, dass tatsächlich Sozialhilfeleistungen erbracht worden sind und zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ein fälliger Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht bestand.
2.2.1 Ausschluss des Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 1 SGB XII
Es gibt einige Konstellationen, in denen der gesetzliche Übergang von Unterhaltsansprüchen ausgeschlossen ist. Nach § 94 Abs. 1 SGB XII ist dies der Fall
- soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlungen erfüllt wird (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB XII),
- wenn der Unterhaltspflichtige selbst zum Personenkreis des § 19 SGB XII gehört oder der Unterhaltspflichtige mit der leistungsberechtigten Person ab dem zweiten Grad (Großeltern/Enkel) oder einem entfernteren Grad verwandt ist (§ 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII),
- soweit dem Unterhaltsberechtigten Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) gewährt werden,
- wenn das unterhaltspflichtige Kind schwanger ist oder ein leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut (§ 94 Abs. 1 Satz 4 SGB XII)
2.2.2 Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 94 Abs. 1a SGB XII
Nach dem durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz neu eingeführten Abs. 1a sind Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100.000 EUR (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche danach nicht zu berücksichtigen sind.
2.2.3 Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 94 Abs. 3 SGB XII
Auch im dritten Absatz des § 94 SGB XII finden sich einige Ausnahmetatbestände, nach denen der Übergang von Unterhaltsansprüchen ausgeschlossen ...