Elternunterhaltsfälle zeichnen sich in der Praxis dadurch aus, dass mehr Beteiligte involviert sind, als in anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen üblich. Aufgrund des regelmäßig stattgefundenen Anspruchsübergangs auf den Sozialhilfeträger, spielt dieser naturgemäß eine tragende Rolle. Daneben sind der Ehegatte des unterhaltspflichtigen Kindes sowie die Geschwister des unterhaltspflichtigen Kindes von Bedeutung.
3.1 Die Rolle des Ehegatten
Zur Rolle des Ehegatten des unterhaltspflichtigen Kindes ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Ehegatte als Schwiegerkind der unterhaltsberechtigten Eltern nicht unmittelbar mit seinen Einkünften für den Elternunterhalt haftet. Auch das Vermögen des Ehegatten kann nicht angetastet werden. Und dennoch spielt der Ehegatte des unterhaltspflichtigen Kindes beim Elternunterhalt eine nicht unbedeutende Rolle. Denn seine Einkünfte und Vermögenswerte beeinflussen die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes. Ist das unterhaltspflichtige Kind verheiratet, wird die Leistungsfähigkeit an dem individuellen Familienselbstbehalt ausgerichtet. Dieses führt dazu, dass das unterhaltspflichtige Kind auch dann auf Elternunterhalt in Anspruch genommen werden kann, wenn sein Einkommen unterhalb des Selbstbehaltes liegt. In einfachen Worten ausgedrückt: Je mehr der Lebensunterhalt der Familie durch die Einkünfte und das Vermögen des Ehegatten abgesichert ist, desto mehr kann das unterhaltspflichtige Kind von seinem Einkommen und Vermögen für den Elternunterhalt zur Verfügung stellen. Aus diesen Gründen ist stets auch das unterhaltsrelevante Einkommen und Vermögen des Ehegatten zu ermitteln, um die Elternunterhaltsverpflichtung des Kindes richtig ermitteln zu können.
3.2 Die Rolle der Geschwister
Hat das unterhaltspflichtige Kind Geschwister, haften alle Geschwister als gleich nahe Verwandte anteilig als Teilschuldner (nicht als Gesamtschuldner) für den Elternunterhalt. Die jeweiligen Haftungsanteile bestimmen sich dabei gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Die anteilige Haftung hat zunächst zur Folge, dass die Leistungsfähigkeit aller Geschwister überprüft werden muss, um die Haftungsanteile ordnungsgemäß berechnen zu können. Diese anteilige Geschwisterhaftung wirft mehrere Fragen auf, auf die später näher eingegangen wird.
Für die Mandatsbearbeitung folgt daraus, dass für den Rechtsanwalt grundsätzlich eine Interessenskollision vorliegt, wenn mehrere Geschwister gemeinsam beraten werden wollen. Es besteht in diesen Fällen immer die Gefahr, dass es wegen der Verteilung der Haftungsanteile zu Streitigkeiten unter den Geschwistern kommt. Daher sollte sich der Rechtsanwalt darauf beschränken, jeweils lediglich ein Kind des unterhaltsberechtigten Elternteils zu vertreten.
3.3 Die Rolle des Sozialamtes
Das Sozialamt spielt beim Elternunterhalt eine große Rolle. In den meisten Fällen ist das Sozialamt der "Gegner", mit dem man sich über die Höhe der Unterhaltszahlungen für die Eltern auseinandersetzt. Dies liegt darin begründet, dass in aller Regel nicht die Eltern selbst eigene Unterhaltsansprüche bei den Kindern anmelden. Vielmehr übernimmt das Sozialamt diesen Part, indem es regelmäßig für ungedeckte Kosten eines Pflegeheims einspringt und anschließend versucht, sich die Kosten bei den potentiell unterhaltspflichtigen Personen wiederzuholen. Ungedeckte Kosten entstehen immer dann, wenn die Eltern nicht über ausreichende Einkünfte oder Vermögenswerte verfügen, um die monatlichen (teilweise sehr hohen) Kosten des Pflegeheims zu bezahlen.
Im Sozialrecht ist in § 2 SGB XII ein Nachranggrundsatz verankert. Dieser besagt, dass Sozialhilfe demjenigen nicht gewährt wird, wer sich durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen, erhält. Im Klartext bedeutet dies, dass das Sozialamt die Eltern grundsätzlich vor der Gewährung von Sozialhilfe auf die Realisierung von Unterhaltsansprüchen – insbesondere gegen die Kinder und den Ehegatten – verweisen kann. Die Unterhaltsansprüche müssten den Eltern allerdings sehr kurzfristig zur Verfügung stehen, damit das Sozialamt sich auf den Nachranggrundsatz berufen kann (man spricht in diesem Zusammenhang von "bereiten Mitteln"). Und daran fehlt es zumeist. Denn ob und ggf. in welcher Höhe Unterhaltsansprüche gegen die Kinder bestehen, ist in aller Regel erst nach einer längeren Zeit zu beurteilen, da insbesondere die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Anspruchsgegners zunächst überprüft werden muss. Die Heimkosten der Eltern stellen jedoch einen akut zu deckenden (Not-)Bedarf dar, sodass es sich bei der Übernahme der Heimkosten um die Abwendung einer gegenwärtigen Notlage handelt, der nur mit präsenten Hilfsmöglichkeiten begegnet werden kann. Das Sozialamt ist daher verpflichtet, zunächst durch Gewährung von Sozialhilfe für die ungedeckten Heimkosten einzutreten.