Wenn das eigene Einkommen oder Vermögen des Elternteils ausreicht, um die Heimkosten zu bezahlen – also bereits keine Bedürftigkeit vorliegt – muss kein Elternunterhalt gezahlt werden. Dann ist die Frage der Leistungsfähigkeit des Kindes kein Thema mehr. Dies ist allerdings in den meisten Elternunterhaltsfällen nicht so, weshalb der Schwerpunkt der Problematiken in aller Regel auf der Ebene der Leistungsfähigkeit liegt, also bei der Frage, inwieweit das Kind überhaupt in der Lage ist, Elternunterhalt zu zahlen.
Bisher konnte sich das unterhaltspflichtige Kind bei der Frage, wer was im Zweifel erklären und darlegen muss, entspannt zurücklehnen. Denn die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf und die Bedürftigkeit liegt auch beim Elternunterhalt beim Unterhaltsberechtigten – also beim Sozialhilfeträger, wenn aus übergeleitetem Recht hervorgegangen wird. Demgegenüber ist es Aufgabe des unterhaltspflichtigen Kindes, den Nachweis einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit zu erbringen.
Bei der Überprüfung, inwieweit Kinder zur Zahlung von Elternunterhalt leistungsfähig sind, ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich beim Elternunterhalt um ein relativ schwach ausgeprägtes Unterhaltsverhältnis handelt. Kinder können nach der Rechtsprechung im Regelfall darauf vertrauen, dass ihre Eltern auch im Alter durch eine ausreichende Altersversorgung ihren notwendigen Lebensbedarf selbst sicherstellen können. Aus diesem Grunde gelten beim Elternunterhalt großzügige Selbstbehalte und ein weniger strenger Haftungsmaßstab bei der Einkommensermittlung.
8.1 Selbstbehalt
Der monatliche Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen beläuft sich beim Elternunterhalt derzeit auf mindestens 2.000 EUR. Das den Selbstbehalt übersteigende Einkommen ist zudem lediglich zur Hälfte anzurechnen.
Das unterhaltsrelevante Einkommen von S beträgt 2.250 EUR. Nach Abzug des Selbstbehaltes von 2.000 EUR verbleiben noch 250 EUR, von denen 50 % als weiterer Selbstbehalt abzuziehen sind. Die Leistungsfähigkeit von S beläuft sich also nur auf 125 EUR.
Der Selbstbehalt von 2.000 EUR ist der höchste pauschale Selbstbehaltssatz, der im deutschen Unterhaltsrecht existiert. Zum Vergleich: Schuldet jemand Kindesunterhalt, hat er nur einen Selbstbehalt von 1.160 EUR bzw. sogar nur 960 EUR, wenn er nicht erwerbstätig ist.
Die Selbstbehaltssätze wurden zum 1.1.2020 moderat von 1.800 EUR auf 2.000 EUR angehoben (für den mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten von 1.440 EUR auf 1.600 EUR). Diese Erhöhung wurde von der Leitlinienkonferenz der Oberlandesgerichte Anfang November 2019 festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war das Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes noch nicht spruchreif, da die Zustimmung des Bundesrates zum Angehörigen-Entlastungsgesetz erst danach (am 29.11.2019) erfolgte. Würde es bei den aktuellen Selbstbehaltssätzen verbleiben, könnte der 100.001 EUR brutto verdienende Unterhaltspflichtige zu recht hohen Elternunterhaltsbeträgen herangezogen werden können während der 100.000 EUR brutto verdienende Unterhaltspflichtige keinen Elternunterhalt zahlen müsste. Es ist daher notwendig, den Selbstbehalt unterhaltspflichtiger Kinder in entsprechender Höhe anzupassen. Gefordert wird z. B. eine Erhöhung des Selbstbehaltes auf 5.000 EUR und bei Zusammenleben des Kindes mit einem Ehegatten die Erhöhung des Familiensockelselbstbehaltes auf 9.000 EUR.
Die Entwicklungen zum Selbstbehalt sind demnach zu beobachten.
Der Selbstbehalt ändert sich von Zeit zu Zeit. Meistens erfolgt eine Änderung, wenn eine neue Düsseldorfer Tabelle herauskommt, was in der Regel zu Beginn eines neuen Jahres der Fall ist. Den beim Elternunterhalt relevanten Selbstbehalt finden Sie in der Düsseldorfer Tabelle unter Abschnitt D.
In dem Selbstbehalt enthalten sind Kosten für eine Warmmiete von 700 EUR. Dem mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten wird ein angemessener Selbstbehalt von mindestens 1.600 EUR einschließlich 600 EUR Warmmiete zugestanden. Der Familienselbstbehalt beträgt daher (2.000 EUR + 1.600 EUR =) 3.600 EUR.
Bei höheren Unterkunftskosten kann der Selbstbehalt ggf. entsprechend erhöht werden.
Ein lediges unterhaltspflichtiges Kind muss also aus seinem Einkommen keinen Elternunterhalt zahlen, wenn sein unterhaltsrelevantes Einkommen 2.000 EUR nicht übersteigt.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass ein Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 1a SGB XII nicht stattfindet, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 EUR nicht überschritten wird.
Dies gilt allerdings nicht zwingend für das verheiratete unterhaltspflichtige Kind. Denn der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass eine Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes auch bei Einkünften unterhalb des angemessenen Selbstbehalts gegeben ist, wenn nach dem gemeinsamen Familieneinkommen der Ehegatten davon auszugehen ist, dass der besserverdienende Ehegatte Teile seines geringen Einkommens nicht mit beisteuern muss und demnach für Unterhaltsleistungen ...