Hat der unterhaltsberechtigte Elternteil mehrere Kinder, haften diese anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen für den Elternunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das Sozialamt ist daher verpflichtet, zunächst das unterhaltsrelevante Einkommen und Vermögen aller Geschwister festzustellen, damit die Berechnung der Haftungsanteile erfolgen kann. Die Haftungsquoten werden erst nach einem Vorwegabzug der für den angemessenen Eigenbedarf zuzubilligenden Beträge (sog. Sockelbeträge) nach dem Verhältnis der verbleibenden Mittel ermittelt. Wenn ein dem Grunde nach unterhaltspflichtiges Geschwisterkind nicht leistungsfähig ist, haften die übrigen Geschwister bei entsprechender Leistungsfähigkeit auf den vollen ungedeckten Bedarf.
Wenn das Sozialamt einen konkreten Unterhaltsbetrag einfordert, muss es Angaben zu den Einkünften (und ggf. Vermögenswerten) der Geschwister machen und nachprüfbare Unterlagen hierzu vorlegen. Manchmal verweigert das Sozialamt entsprechende Ausführungen unter Berufung auf den Datenschutz. In solchen Fällen kann dem Sozialamt mitgeteilt werden, dass die präsentierte Unterhaltsberechnung ohne Angaben und Naschweisen zu den Geschwistereinkünften nicht akzeptiert wird. Leitet der Sozialhilfeträger daraufhin ein gerichtliches Unterhaltsverfahren ein, ist er – um eine schlüssige Antragsbegründung zu formulieren – gezwungen, zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Geschwister konkret vorzutragen. Wir in diesem Zusammenhang erstmalig eine schlüssige Unterhaltsforderung formuliert, kann ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 93 ZPO abgegeben werden.
9.1 Auskunftsansprüche unter Geschwistern
Damit die Haftungsanteile berechnet werden können, können die Geschwister auch untereinander eine Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse einfordern. Dieser Auskunftsanspruch ist im Unterhaltsrecht zwar nicht normiert, er wird aber aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet. Der Auskunftsanspruch besteht allerdings nur gegen die Geschwister selbst und nicht gegen deren Ehegatten. Da die Einkünfte und Vermögenswerte der Geschwisterehegatten aber für die Unterhaltsberechnung von Bedeutung sind, reicht der Auskunftsanspruch unter den Geschwistern selbst so weit, dass auch Angaben über die Einkünfte des Ehegatten verlangt werden können, soweit diese erforderlich sind, um deren Anteil am Familienunterhalt bestimmen zu können.
9.2 So wird die Haftungsquote von Geschwistern berechnet
Um die Haftungsquote unter Geschwistern berechnen zu können, muss zunächst das jeweilige unterhaltsrelevante Einkommen aller Geschwister nach den bereits dargestellten Grundsätzen ermittelt werden. Diejenigen Geschwister, deren Einkünfte unterhalb des Selbstbehaltes liegen und deren Vermögen unterhalb der Schongrenze liegt, scheiden bei der Berechnung der Haftungsanteile aus, denn sie müssen keinen Elternunterhalt zahlen. Für die anderen Geschwister ist die jeweilige Haftungsquote nach folgender Formel zu ermitteln:
Unterhaltsbedarf x Leistungsfähigkeit des Kindes / Leistungsfähigkeit aller Kinder = Haftungsquote
Der im Heim lebende Vater V hat einen ungedeckten Unterhaltsbedarf von 600 EUR. Das Kind A hat ein unterhaltsrelevantes monatliches Einkommen von 3.000 EUR, das Kind B von 1.700 und das Kind C von 2.500 EUR.Da das Einkommen von B unterhalb des Selbstbehaltes liegt, muss B keinen Elternunterhalt für V zahlen. Von dem Einkommen von Kind A in Höhe von 3.000 EUR ist zunächst der Selbstbehalt von 2.000 EUR in Abzug zu bringen. Es verbleiben 1.000 EUR. Von den 1.000 EUR wird der weitere anrechnungsfreie Betrag von 50 % abgezogen, sodass A in Höhe von 500 EUR leistungsfähig ist zur Zahlung von Elternunterhalt. Bei dem Kind C ist eine Leistungsfähigkeit von (2.500 EUR – 2.000 EUR Selbstbehalt = 500 EUR, hiervon 50 % =) 250 EUR gegeben. Die Haftungsquote von A beträgt (Unterhaltsbedarf von V 600 EUR x Leistungsfähigkeit von A 500 EUR / Leistungsfähigkeit von A und C 750 EUR =) 400 EUR. Die Haftungsquote von C beträgt (Unterhaltsbedarf von V 600 EUR x Leistungsfähigkeit von C 250 EUR / Leistungsfähigkeit von A und C 750 EUR =) 200 EUR.
In dem obigen Beispielsfall ist der Ausschluss des Unterhaltsregresses nach § 94 Abs. 1a SGB XII nicht berücksichtigt.
Etwas schwieriger wird die Berechnung, wenn die Haftungsquote nicht lediglich aus dem Einkommen, sondern auch aus dem Vermögen der Geschwister zu berechnen ist. In solchen Fällen ist das Vermögen der Geschwister zu verrenten. Das verrentete Einkommen ist dem übrigen Einkommen hinzuzurechnen. Sodann ist die Berechnung wie in dem obigen Beispielsfall durchzuführen.
Die Verrentung kann mit Hilfe der im Anhang abgebildeten Tabelle vorgenommen werden.