Leitsatz
Gegenstand der Entscheidung des OLG Hamm war die Leistungsfähigkeit eines verheirateten Unterhaltsschuldners beim Elternunterhalt und hierbei auch die Frage, in welcher Höhe der Ehegatte des Schuldners unterhaltsrechtlich vertretbare Altersvorsorge betreiben kann.
Sachverhalt
Die Klägerin machte aufgrund einer Rechtswahrungsanzeige als Trägerin der Sozialhilfe wegen ungedeckter Kosten für die Heimpflege der Mutter des Beklagten Ansprüche auf Elternunterhalt gemäß § 1601 BGB geltend. Die Unterhaltspflicht des Beklagten ggü. seiner Mutter war dem Grunde nach nicht im Streit.
Der Beklagte war wieder verheiratet. Seine Ehefrau war ebenfalls erwerbstätig. Die Parteien stritten allein um die Leistungsfähigkeit des Beklagten aus laufendem Einkommen für die von der Klägerin geltend gemachten Beträge.
Entscheidung
Die Leistungsfähigkeit des Beklagten ergab sich nach Auffassung des OLG aus dem einzusetzenden Einkommen unter Berücksichtigung seines Beitrags zum angemessenen Familienunterhalt, des Einkommens seiner Ehefrau und der Vorteile des Zusammenlebens. Die Ehefrau des Beklagten betrieb unstreitig im Jahre 2004 eine monatliche Altersvorsorge von 147,60 EUR, im Jahre 2005 eine solche i.H.v. monatlich 198,95 EUR und im Jahre 2006 eine solche von monatlich 415,46 EUR.
Das OLG wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2006, 1511 ff.) eine Altersversorgung bis zu 5 % vom Bruttoeinkommen zulässig sei. Diese Rechtssprechung sei allerdings nur für den Unterhaltsschuldner selbst entwickelt worden, der seine Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt nicht unbegrenzt durch Beiträge zur Altersvorsorge vermindern dürfe. Für die Frage, in welcher Höhe die Ehefrau des Unterhaltsschuldners Altersvorsorge betreiben könne, sei dieser Gedanke daher nicht in gleicher Weise übertragbar, da die Ehefrau des Unterhaltsschuldners dessen Mutter keinen Unterhalt schulde. Für sie seien daher Beiträge zur Altersvorsorge jenseits von 5 % des Bruttoeinkommens jedenfalls insoweit anzuerkennen, als sie auf einer nachvollziehbaren, vernünftigen Überlegung und nicht auf einer übertriebenen sparsamen Lebensführung beruhten und die Leistungsfähigkeit des zuerst seiner Ehefrau unterhaltspflichtigen Beklagten nicht stärker verringerten, als wenn sie allein aus dessen Einkommen zu berechnen wäre.
Es sei unstreitig geblieben, dass die Ehefrau des Beklagten erst relativ spät - mit über 30 Jahren - in das Erwerbsleben eingestiegen sei. Ihre gesetzliche Altersvorsorge sei daher unzureichend. Selbst bei fortgesetzter Vollzeitbeschäftigung könne sie künftig nur mit einer gesetzlichen Rente von rund 700,00 EUR rechnen und müsse durch erhebliche Beiträge zur privaten Altersvorsorge ergänzt und flankiert werden. Nach Auffassung des OLG rechtfertigte dieser Umstand grundsätzlich den Abzug der vollen Beiträge für die von der Ehefrau des Beklagten betriebene Altersversorgung von ihrem Einkommen.
Das OLG berechnete sodann die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Beklagten, indem es das bereinigte anrechenbare Einkommen der Gatten zum Familieneinkommen addierte. Der Familienunterhalt sei durch Abzug der Summe der beiden Ehepartnern zustehenden Selbstbehalte zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 1/2 der Differenz zwischen dem anrechenbaren Einkommen und dem Familieneinkommen zu ermitteln. Dieser Familienunterhalt sei sodann von den Ehepartnern im Verhältnis ihrer anrechenbaren Einkünfte zu decken. Elternunterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit bestehe somit in Höhe der Differenz des anrechenbaren Eigeneinkommens des Unterhaltspflichtigen und dem von ihm zu tragenden Anteil am Familienunterhalt.
Hinweis
Erfreulicher Aspekt dieser Entscheidung des OLG Hamm ist, dass in der Konsequenz dieser Entscheidung der Familienunterhalt beim Elternunterhalt nicht zu einer unterhaltsrechtlichen Sippenhaft des Schwiegerkindes führt, das in der Verwendung seines Einkommens völlig frei ist - auch wenn eine Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten seinen Eltern gegenüber bereits entstanden ist. Dieses Recht zur autonomen Verwendung des Eigenverdienstes soll nach der Entscheidung des OLG Hamm lediglich dort seine Grenze finden, wo die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Kindes aus seinem Einkommen betroffen wird. Das Schwiegerkind darf danach sein eigenes Einkommen nicht ohne weiteres so verwenden, dass eine Unterhaltspflicht seines Ehepartners ihm gegenüber entsteht.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2007, 13 UF 134/07