a) Gewaltenteilung zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern
Rz. 428
Grundsätzlich besitzen die Geschäftsführer eine umfassende Geschäftsführungsbefugnis (Table A, Art. 3 und 4). Dieses Verständnis ist aus dem Fallrecht heraus entstanden. Nach dem Trennungsprinzip haben die englischen Gerichte den Grundsatz entwickelt, dass bei Kapitalgesellschaften eine strikte Trennung von Inhaberschaft und Geschäftsführungsbefugnis zu beachten sei. Den Geschäftsführern werden im Rahmen dieser Gewaltenteilung daher einerseits weit reichende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt, da ihnen in diesem System die Stellung als Treuhänder für das Vermögen der Gesellschaft (fiduciaries) zukommt. Die Geschäftsführer schulden daher für ihr Handeln der Gesellschaft Rechenschaft und müssen ihre umfassende Geschäftsführungskompetenz vor dem Hintergrund des objektiv besten Interesses der Gesellschaft ausüben. Die Gerichte kontrollieren im Rahmen der weit reichenden Haftung der Geschäftsführer, ob die Geschäftsführer bei der jeweiligen Handlung die Absicht hatten, im objektiv besten Interesse der Gesellschaft zu handeln.
Rz. 429
Auch in der Mustersatzung (Table A, Art. 3 und 4) wird den Gesellschaftern diese umfassende Geschäftsführungsbefugnis zugebilligt. Diese Befugnis ist aber immer vor dem Hintergrund der Articles der Gesellschaft zu prüfen, die Einschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis vorsehen können. Existieren solche Einschränkungen, ist den Geschäftsführern von vornherein nur eine beschränkte Kompetenz zugebilligt worden, und sie dürfen sich dann nur im Rahmen der ihnen eingeräumten Kompetenz bewegen.
Rz. 430
In der Mustersatzung ist in Art. 4 Abs. 1 ein Weisungsrecht der Gesellschafter für die Geschäftsführer vorgesehen. Die Geschäftsführer können durch außerordentlichen Gesellschafterbeschluss mit ¾-Mehrheit beschließen, eine Weisung an die Geschäftsführer zu erteilen. Im Übrigen besteht das Recht der Gesellschafter, die Art und Weise der Geschäftsführung durch spezielle Rechtsbehelfe anzugreifen, wenn die Handhabung der Geschäftsführungsbefugnisse ihnen gegenüber ein treuwidriges und unfaires Verhalten darstellt (Sec. 994 ff. CA 2006).
b) Gesetzliche Pflichten der Geschäftsführer
Rz. 431
Als Gegenstück zu den weit reichenden Geschäftsführungsbefugnissen der Geschäftsführer stehen die hohen Anforderungen an die Loyalität und Integrität des Geschäftsführers. Das englische Recht enthält gesetzliche und durch das Fallrecht entwickelte Verpflichtungen zur Offenlegung von Geschäftsinteressen des Geschäftsführers, wenn Verträge zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft geschlossen werden sollen, und strikte Haftungsregeln, wenn der Geschäftsführer gegen diese Verpflichtungen verstößt. Durch den CA 2006 ist es zu einer Kodifizierung der Pflichten gekommen, d.h., die überkommene Unterscheidung zwischen Pflichten des Common Law und kraft Gesetzes ist überholt. Die Darstellung behandelt die erstmals kodifizierten Pflichten in Rdn 436 ff.
aa) Darlehen der Gesellschaft an die Geschäftsführer
Rz. 432
Einem Geschäftsführer ist es kraft Gesetzes verboten, Darlehen und darlehensähnliche Rechtsgeschäfte mit seiner Gesellschaft zu tätigen. Das gesetzliche Verbot greift aber erst ab einem de minimis-Betrag von 5.000 britischen Pfund ein (Sec. 197, 204–209 CA 2006). Auch die Mustersatzung erlaubt hiervon keine weitere Ausnahme.
Rz. 433
Von den gesetzlichen Vorschriften umfasst sind echte Darlehen (loans) und Quasi-Darlehensverhältnisse (quasi-loans). Quasi-Darlehensverhältnisse beschreiben Stundungen, wenn z.B. der Geschäftsführer private Aufwendungen hat, von denen ihn die Gesellschaft zunächst durch Zahlung an den Gläubiger freistellt, und der Geschäftsführer erst später gegenüber der Gesellschaft tilgt. Erfasst sind ebenfalls Verträge, in denen der Geschäftsführer von der Gesellschaft Waren auf Ziel (credits) erwerben kann. Es ist grundsätzlich unerheblich, ob die Rechtsgeschäfte mit dem Geschäftsführer selbst oder mit ihm nahestehenden Personen abgeschlossen werden. Die gesetzlichen Regelungen sind sehr detailliert und enthalten weitere Verschärfungen im Fall von Unternehmensgruppen. Für die isolierte Ltd. außerhalb eines Konzerns existieren jedoch für Rechtsgeschäfte mit nahestehenden Personen Einschränkungen vom grundsätzlichen Verbot.
Rz. 434
Die Gesellschaft hat im Fall eines Verstoßes das Recht, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrags zu berufen und kann Schadensersatz vom Empfänger der Zahlung verlangen. Der Geschäftsführer selbst muss der Gesellschaft alle Früchte aus dem unwirksamen Darlehensgeschäft überlassen, die er mit Hilfe der Darlehensvaluta erzielt hat.
bb) Zustimmungsbedürftigkeit wesentlicher Vertragsabschlüsse
Rz. 435
Verträge, bei denen zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer Austauschgeschäfte (substantial property transactions) über den Erwerb oder Verkauf von beweglichen und unbeweglichen körperlichen Vermögensgegenständen (non-cash assets) abgeschlossen werden, sind seitens der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit zustimmungsbedürftig (Sec. 190 CA 2006). Dies ist dann der Fall, wenn die vertragliche Vergütung mehr als 100.000 britische Pfund beträgt oder 10 % des Wertes der Aktiva der Gesellschaft übersteigt. Die...