aa) Pflichtverletzungen als interne Angelegenheiten der Gesellschaft
Rz. 445
Zivilrechtliche Haftungsansprüche gegenüber der Gesellschaft können entweder aus der zuvor (siehe Rdn 431 ff.) dargestellten Verletzung gesetzlicher Pflichten (statutory duties) oder aus der Verletzung der Common Law-Pflichten (fiduciary duties/duty of care and skill) resultieren.
Rz. 446
Adressat der Pflichten ist die Gesellschaft. Die Gesellschafterinteressen werden nur mittelbar berücksichtigt, indem es als das Hauptziel der Gesellschaft angesehen wird, Gewinne zu erwirtschaften. Die strenge Haftung der Geschäftsführer dient dazu, die sog. agency costs (Vermögensverfall der Anteile der Gesellschafter durch Entwertung des Vermögens der Gesellschaft) zu begrenzen, welche durch eine schlechte Leitung der Gesellschaft durch fremde Manager (Fremdorganschaft) entstehen. Entsprechend obliegt es der Gesellschaft allein, Pflichtverletzungen gerichtlich und außergerichtlich zu verfolgen.
Rz. 447
Die Entscheidung der übrigen Geschäftsführer oder einer Mehrheit im Gesellschafterkreis durch Gesellschafterbeschluss (sog. ratification, Sec. 239 CA 2006), einen Pflichtenverstoß gegenüber dem betroffenen Geschäftsführer nicht zu verfolgen, muss die Minderheit grundsätzlich akzeptieren. In diesem Bereich besteht ein ausuferndes Fallrecht, unter welchen Bedingungen eine Mehrheitsentscheidung der Gesellschafterversammlung treuwidrig ist, wegen Überschreitens des Gesellschaftsgegenstandes nicht getroffen werden kann oder einzelne Gesellschafter im Wege einer derivative action Ansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer selbst einklagen dürfen (zu den weiteren Einzelheiten und Ausnahmen siehe Rdn 275 ff.).
bb) Rechtsfolgen der Pflichtverletzung
Rz. 448
Liegt ein Pflichtenverstoß vor, hat die Gesellschaft ein Wahlrecht, sich auf die Unwirksamkeit eines in ihrem Namen abgeschlossenen Vertrags zu berufen oder den Vertrag gegen sich gelten zu lassen. Dieses gilt aber nur, wenn der Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer zustande gekommen ist und nur solange, bis Leistung und Gegenleistung noch nicht vollständig ausgetauscht sind. Kann der Vertrag nicht mehr rückabgewickelt werden und hat die Gesellschaft vom Geschäftsführer ein Wirtschaftsgut erworben, richtet sich ihr Schadensersatzanspruch auf den zukünftigen Wertverlust des erworbenen Vermögensgegenstandes. Ansonsten muss der Geschäftsführer der Gesellschaft jegliche Früchte aus dem Vertragsabschluss überlassen.
Rz. 449
Nutzt der Geschäftsführer eine Geschäftschance der Gesellschaft für sich aus, kann die Gesellschaft nur in Ausnahmefällen den Eintritt in das vom Geschäftsführer abgeschlossene Rechtsverhältnis verlangen. Der Geschäftsführer haftet jedoch auf die Herausgabe jeglicher Gewinne, die er aus dem verbotenen Geschäft erzielt hat, sowie damit etwaiger erworbener Früchte und Vermögensgegenstände. Die Haftung kann sich auch auf nahestehende Personen erstrecken.