aa) Stimmabgabe bei einer Gesellschafterversammlung
Rz. 370
Die Form der Stimmabgabe ist grundsätzlich in zwei verschiedenen Alternativen möglich.
(1) Stimmabgabe per Handzeichen
Rz. 371
Entweder kann abgestimmt werden, indem jeder anwesende Gesellschafter per Handzeichen (show of hands) abstimmt. In diesem Fall zählt jede Stimme einfach nach Köpfen, selbst wenn ein Gesellschafter mehrere Anteile hält (Sec. 282 ff. CA 2006).
Rz. 372
Grundsätzlich bestimmt Art. 42 in Table A, dass im Regelfall per Handzeichen nach Köpfen abzustimmen ist und eine schriftliche Abstimmung beantragt werden muss. Wird per Handzeichen abgestimmt, verkündet der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung das Ergebnis und lässt es in das Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll hat volle Beweiskraft dafür, dass die Abstimmung stattgefunden und zu welchem Ergebnis sie geführt hat.
(2) Geheime und schriftliche Abstimmung
Rz. 373
Stattdessen kann eine geheime und schriftliche Abstimmung (poll) stattfinden, wenn sie beantragt worden ist. In diesem Fall werden die Stimmen schriftlich abgegeben und danach ausgezählt. Nach Table A, Art. 44 hat jeder Gesellschafter eine Stimme für jeden von ihm gehaltenen Anteil, es sei denn, den Anteilen haften bestimmte Beschränkungen an. Wird geheim abgestimmt, kann ein Gesellschafter, der mehrere Stimmen hat, auch unterschiedlich abstimmen (Sec. 322 CA 2006).
(3) Verfahren
Rz. 374
Da grundsätzlich per Handzeichen abzustimmen ist, legen das Gesetz und die Mustersatzung in Table A fest, welche Personen eine geheime Abstimmung beantragen oder anordnen können.
Rz. 375
Als Minimumstandard bestimmt das Gesetz in Sec. 321 CA 2006, dass mindestens fünf stimmberechtigte Mitglieder bei einer Gesellschafterversammlung oder ein Gesellschafter, der mindestens 10 % aller Stimmrechte vertritt, oder ein Gesellschafter oder mehrere Gesellschafter, die mindestens 10 % des Stammkapitals repräsentieren, die geheime Abstimmung beantragen können.
Rz. 376
Die Mustersatzung in Table A lässt bereits einen Antrag von zwei Gesellschaftern ausreichen und gibt zusätzlich auch dem Vorsitzenden das Recht, eine geheime Abstimmung anzuordnen (Table A, Art. 44).
Rz. 377
Die geheime Abstimmung wird vom englischen Gesellschaftsrecht als die rechtlich bindende Abstimmung angesehen. Wird eine geheime Abstimmung beantragt, nachdem bereits über den Tagungsgegenstand per Handzeichen abgestimmt worden ist, ist die Abstimmung per Handzeichen ungültig und der Tagesordnungspunkt als nicht entschieden anzusehen, bis die geheime Abstimmung stattgefunden hat. Die Mustersatzung ermöglicht es in Table A, Art. 44 Abs. 3, eine hierdurch eintretende Schwebelage zu verhindern, indem mit der Zustimmung des Vorsitzenden der Antrag, eine geheime Abstimmung durchzuführen, wieder zurückgenommen werden kann, so dass die Abstimmung per Handzeichen rückwirkend wieder in Kraft tritt.
Rz. 378
Kommt es zu einem Gleichstand der Stimmen, sei es in geheimer Abstimmung oder bei einer Abstimmung per Handzeichen, hat der Vorsitzende eine weitere Stimme (casting vote, Art. 13 der Table A). Das Gesetz sieht keine casting vote vor, erlaubt aber diese Bestimmung in den Articles.
bb) Schriftliche Beschlussfassung im Umlaufverfahren
Rz. 379
Die Regelungen des CA 2006 sehen die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung nicht als den vom Gesetz gewollten Regelfall an. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die meisten Vorschriften, in denen Gesellschafterbeschlüsse verlangt werden, davon sprechen, dass diese "auf einer Gesellschafterversammlung" (at a meeting) zu treffen sind. Bereits das englische Fallrecht hat es aber als möglich angesehen, auch ohne eine Gesellschafterversammlung im schriftlichen Umlaufverfahren Beschlüsse zu fassen. Erforderlich ist in diesem Fall ein ausdrücklicher einstimmiger Beschluss (sog. unanimous assent) aller Gesellschafter oder Schweigen, das als Zustimmung gewertet werden kann (assent by acquiescence). Eine ausdrückliche Gegenstimme verhindert die Beschlussfassung.
Rz. 380
Sowohl für die Ein-Mann-Ltd. als auch für die Ltd. mit mehreren Gesellschaftern existiert nach der aktuellen Rechtslage in diesem Bereich ein Nebeneinander des alten Fallrechts und neuerer gesetzlicher Regelungen. Über das Fallrecht hinausgehend können grundsätzlich alle Angelegenheiten der Gesellschaft oder der Gesellschafter einer Anteilsklasse im schriftlichen Umlaufverfahren statt auf einer Gesellschafterversammlung beschlossen werden. Ausgenommen ist die Abberufung von Geschäftsführern und Prüfern (Sec. 168 CA 2006). Dies bedeutet, dass nicht nur einfache Mehrheitsbeschlüsse, sondern auch Beschlüsse mit außerordentlicher Mehrheit (special und special resolutions) schriftlich im Umlaufverfahren gefasst werden können, wenn die vom Gesetz hierfür manchmal vorgeschriebenen weiteren besonderen Formalitäten eingehalten werden. Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist damit die in der Praxis überwiegend anzutreffende Form.
Rz. 381
Den Gesellschaftern sind vor der Beschlussfassung im Umlaufverfahren Unterlagen und unterstützende Informationen zur Kenntnis zu geben, die sie bei einer Ladung zur Gesellschafterversammlung erhalten hätten. Die Beschlüsse sind von allen Gesellschaftern ...