(1) Klagebefugnis nach der Regel in Foss vs. Harbottle
Rz. 281
Um eine Klagebefugnis entweder gegenüber einem Dritten oder gegenüber der Ltd. selbst zu haben, müssen nach dem Common Law die hohen Anforderungen aus der Entscheidung Foss vs. Harbottle überwunden werden, die zwei unabhängige Wertungen enthält und beide Fallgruppen zu einer Regel verbindet:
Rz. 282
Zum einen darf ein Gesellschafter nur ausnahmsweise Ansprüche der Gesellschaft für die Gesellschaft einklagen. Das hinter dieser Regel steckende Prinzip (proper plaintiff principle) folgt dem Grundgedanken des Trennungsprinzips, das gebietet, die Ltd. als zur Klage berufenes Rechtssubjekt anzusehen, wenn ihr gegenüber eine Rechtsverletzung begangen wird. Im Fall Prudential Assurance Co. Ltd. v. Newman Industries Ltd. wurde dieses Prinzip dahin gehend erweitert, dass eine Klagebefugnis eines Gesellschafters gegen einen Dritten grundsätzlich auch zu verneinen ist, wenn der Gesellschafter den Dritten wegen einer Wertminderung seiner Anteile auf Wertersatz verklagen will, die durch eine Schädigung der Gesellschaft durch den Dritten eingetreten ist.
Rz. 283
Zum anderen soll prinzipiell eine Klage in den Angelegenheiten der Gesellschaft nur mit Zustimmung der Gesellschaftermehrheit möglich sein (majority principle). Dies beruht auf einer Selbstbeschränkung der Rechtsprechung (judicial self-restraint), sowohl Streitigkeiten über Geschäftsführungsmaßnahmen als auch Streitigkeiten über die Verletzung von satzungsmäßigen Formvorschriften nur ausnahmsweise als justitiabel anzusehen (internal management-Regel und sog. internal irregularities-Regel), wenn diese von der Mehrheit gebilligt werden. Ein Minderheitsgesellschafter hat nach englischem Verständnis beim Anteilserwerb von vornherein zu berücksichtigen, dass der Wert seiner Beteiligung und somit seine Gesellschafterrechte immer durch das Mehrheitsprinzip begrenzt werden.
(2) Ausnahmen vom generellen Klageverbot eines Minderheitsgesellschafters
Rz. 284
Nur in eng umgrenzten Fallgruppen werden nach dem Fallrecht Ausnahmen vom generellen Klageverbot eines Minderheitsgesellschafters zugelassen.
Rz. 285
(a) Zum einen müssen das Memorandum oder die Articles einem Gesellschafter bestimmte persönliche Rechte (personal rights) einräumen. Selbst wenn dies der Fall ist, können Nichtbeachtungen von personal rights nicht verfolgbar sein, sofern es sich um unbeachtliche Verletzungen (internal irregularities) handelt. Welche Rechtsverletzungen für die Anteilseigner zu einer klagbaren beachtlichen Verletzung führen, haben die Gerichte durch das Case Law ausgeprägt.
Rz. 286
(b) In die gleiche Richtung geht die Verletzung von im Memorandum und in den Articles festgeschriebenen Abstimmungsmehrheiten (special majorities), deren Verletzungen nicht durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung geheilt werden können. Ein Anteilseigner darf in diesem Fall per einstweiliger Verfügung (injunction) die Ausführung unregelmäßiger Gesellschafterbeschlüsse durch den Vorstand der Gesellschaft verhindern.
Rz. 287
(c) Ein Gesellschafter darf weiterhin klagen gegen Beschlüsse und Handlungen der Gesellschaft, die außerhalb des Gesellschaftszwecks liegen (ultra vires).
Rz. 288
(d) Als letzte Ausnahmefallgruppe gilt der sog. fraud on the minority-Grundsatz. Hinter dieser Ausnahme steckt wiederum die Ausbalancierung von Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz. Hiervon sind Minderungen des Gesellschaftsvermögens infolge eines rechtswidrigen Verhaltens der Geschäftsführer erfasst. Wird ein Fehlverhalten von der Mehrheit der Gesellschafterversammlung durch Beschluss akzeptiert (ratification), so ist die Zustimmung der Mehrheit kein Hinderungsgrund für die Klagebefugnis eines Minderheitsgesellschafters, falls er nachweisen kann, dass die Mehrheit unter dem Einfluss der Geschäftsführer steht (wrongdoer control).
Rz. 289
Im Endeffekt laufen diese Ausnahmeregelungen auf eine weit gehende Rechtsschutzverweigerung hinaus. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Hürden, die der Gesellschafter nehmen muss, um entweder Beschlüsse in der Gesellschaft, nicht gegen einen Dritten zu klagen (bei der derivative action), zu überwinden oder um Rechtsschutz gegen Satzungsverletzungen ihm gegenüber (bei der personal action) erlangen zu können, sind sehr hoch.
Rz. 290
Hinsichtlich der Kostentragung ist mittlerweile durch die Rechtsprechung anerkannt, dass ein Minderheitsgesellschafter, der eine Klage gegenüber Dritten erheben darf (derivative action), im Unterliegensfall einen Anspruch auf Freistellung gegenüber der Ltd. hat. Er kann im Fall einer Klage gegenüber der Ltd. auf Erteilung einer Genehmigung, die Klage gegen den Dritten zu erheben, auch bereits den Antrag auf Freistellung von den entstehenden Kosten verlangen. Ist die Klage erfolgreich, steht dem Kläger aus der Leistung des Schädigers an die Gesellschaft ein Befriedigungsrecht zu.