Rz. 499
Hervorgehoben werden sollen zuvor noch kurz in Grundzügen die im englischen Recht bestehenden Möglichkeiten der außergerichtlichen Sanierung und des Gläubigerschutzes einer Gesellschaft.
1. Abschluss eines Schuldenbereinigungsplans
Rz. 500
Das Gesetz enthält Mechanismen, im Wege von mehrseitigen Vereinbarungen (voluntary arrangements) zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern eine Schuldenbereinigung herbeizuführen (Sec. 1–7 Insolvency Act 1986). Die hierfür anwendbaren Verfahren sind weit gehend ohne Mitwirkung des Insolvenzgerichts durchzuführen. Die Geschäftsführer müssen hierzu einen unabhängigen Dritten (sog. nominee) bestimmen, der eine Qualifikation als Insolvenzpraktiker nach englischem Recht besitzen muss. Dieser prüft die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und arbeitet einen Schuldenbereinigungsplan aus. Innerhalb von 28 Tagen nach seiner Bestellung muss der nominee dem zuständigen Insolvenzgericht seine Tätigkeit anzeigen und eine Gläubigerversammlung einberufen. Stimmt eine Mehrheit von ¾ der ungesicherten Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan zu, wird der Plan für alle Gläubiger der Gesellschaft verbindlich.
Rz. 501
Für kleine Ltd.s kann diese außergerichtliche Sanierung mit dem sog. Moratoriumsverfahren kombiniert werden. Dieses Verfahren ist seit dem 1.1.2003 möglich (Sec. 1A und Schedule A1 Insolvency Act 1986). Es bezweckt, dass im Vorgriff auf eine Gläubigerversammlung, auf der ein Schuldenbereinigungsplan vorgelegt werden soll, kein einzelner Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt und hierdurch die Gesellschaft in die zwangsweise Insolvenz führt. Auch hierzu muss zunächst von der Gesellschaft durch die Geschäftsführer ein unabhängiger Insolvenzpraktiker benannt werden. Beim Insolvenzgericht ist der Antrag zu stellen, das Moratorium auszusprechen. Es dauert dann längstens 28 Tage oder, falls in dieser Frist mit der Einberufung der Gläubigerversammlung begonnen worden ist, bis zum Ende der letzten Gläubigerversammlung. Steht am Ende des Moratoriums die Zustimmung der Gläubigerversammlung zum Schuldenbereinigungsplan, führt die Gesellschaft ihre Tätigkeit unter Beachtung ihrer Verpflichtungen hieraus fort. Kommt es nicht zu einer Einigung der Gläubiger auf den Schuldenbereinigungsplan, besteht wieder das Insolvenzantragsrecht der einzelnen Gläubiger.
2. Sicherungsverfahren
Rz. 502
Das englische Recht (Sec. 8 Insolvency Act 1986 und Schedule B1) kennt auch ein Sicherungsverfahren (sog. administration), das in der Krise einer Gesellschaft begonnen werden kann, um die Gesellschaft vor der Zerschlagung zu schützen. Das Verfahren kann von der Gesellschaft, den Geschäftsführern und solchen Gläubigern, die Inhaber einer speziellen dinglichen Sicherheit (floating charge) über das Vermögen der Gesellschaft sind, beantragt werden. Es kann weitest gehend ohne gerichtliche Mitwirkung von der Gesellschaft selbst durchgeführt werden.
Rz. 503
Zur Durchführung des Verfahrens wird ein Verwalter (administrator) ernannt. Diesem stehen umfassende Befugnisse und Vertretungsmacht, insbesondere die Verwertung der Vermögensgegenstände der Gesellschaft sowie der Verkauf der gesamten Gesellschaft, zu. Die Befugnisse der Geschäftsführer sind während der Verwaltung suspendiert, sie können vom Verwalter auch abberufen werden. Während des Verfahrens können die Gläubiger keine Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, es sei denn, es handelt sich um Gläubiger, die aufgrund einer speziellen Kreditsicherheit (der bereits erwähnten floating charge) selbst antragsbefugt sind.
Rz. 504
Kraft Gesetzes ist das Sicherungsverfahren auf ein Jahr befristet, eine Verlängerung ist unter bestimmten Umständen für einen befristeten Zeitraum möglich.