1. Formen der Gesellschafterversammlungen und deren Einberufung
a) Jährliche Gesellschafterversammlung
Rz. 344
Bis auf eine Ausnahme für sog. traded companies sind haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaften nicht verpflichtet, jährliche Gesellschafterversammlungen abzuhalten, weshalb das Thema hier nicht vertieft wird. Falls ein AGM abzuhalten ist, muss es innerhalb von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag stattfinden.
b) Außerordentliche Gesellschafterversammlung
Rz. 345
Sec. 301–335 CA 2006 enthalten zwingende gesetzliche Regelungen, wer zu einer Gesellschafterversammlung einladen darf, welche Fristen zu beachten sind und welchen Inhalt die Ladung haben muss. Die neuen Model Articles enthalten hierzu deshalb keine Bestimmungen mehr.
Rz. 346
Den Geschäftsführern steht das Recht zu, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen (Sec. 301 CA 2006). Gesellschafter, die zusammen 5 % des aufgezahlten Stammkapitals repräsentieren, können ebenfalls eine Gesellschafterversammlung verlangen. Auch im neuen Recht existiert in Sec. 306 CA 2006 ein spezieller Rechtsbehelf, der es den Gerichten ermöglicht, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Ebenso besteht weiterhin die Möglichkeit für die Gesellschafter, im Wege der Ersatzvornahme eine Gesellschafterversammlung einzuberufen (Sec. 305 CA 2006).
2. Beschlussformen und Beschlussfassung
a) Beschlussformen und Beschlussmehrheiten
Rz. 347
Im englischen Gesellschaftsrecht werden Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung durch Beschlüsse (resolutions) gefasst. Grundsätzlich ist die einfache Mehrheit für die Beschlussfassung ausreichend. In diesem Zusammenhang spricht man von einfachen Mehrheitsbeschlüssen (ordinary resolutions). Manche Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit bedürfen einer besonderen Ladungsform (special notice).
Rz. 348
In anderen Fällen verlangt das Gesetz eine höhere Stimmenmehrheit, um bestimmte Entscheidungen zu fassen. Es wird in diesen Fällen eine Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen zur wirksamen Beschlussfassung verlangt (Sec. 283 CA 2006). Die früher vom Gesetz vorgesehene Unterscheidung zwischen einer besonderen Beschlussfassung (special resolution) und einer außerordentlichen Beschlussfassung (extraordinary resolution) gibt es nicht mehr.
Rz. 349
Gegenstand |
Notwendige Beschlussform in der Praxis |
Änderung der Articles |
special resolution (Sec. 21 CA 2006) |
Namensänderung |
Der Name der Gesellschaft ist kein Satzungsbestandteil mehr, daher m.E. einfache Mehrheit ausreichend (ordinary resolution). |
Genehmigung des Jahresabschlusses |
ordinary resolution |
Kapitalerhöhung |
ordinary resolution (Sec. 549–551 CA 2006) |
Verzicht auf Bezugsrechte/Nichtbeachtung von Bezugsrechten der Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung |
special resolution (Sec. 569–571 CA 2006; ein genereller Verzicht kann in den Articles niedergelegt werden) |
Änderung der Währung des Nominalkapitals ohne Kapitalherabsetzung |
ordinary resolution (Sec. 622 CA 2006) |
Kapitalherabsetzung |
special resolution (Sec. 641 CA 2006) |
Umwandlung einer Ltd. in eine plc |
special resolution (Sec. 90 CA 2006) |
Dividendenausschüttung |
ordinary resolution |
Abberufung der Geschäftsführer |
ordinary resolution (Sec. 168 CA 2006), wenn ein im Companies Act niedergelegtes Verfahren beachtet wird. Keine schriftliche Beschlussfassung im Umlaufverfahren möglich. |
Ratifizierung des Fehlverhaltens eines Geschäftsführers |
ordinary resolution (Sec. 239 CA 2006) |
Erlaubnis zum Erwerb eigener Anteile aus dem Kapital von einem der Gesellschafter (off-market purchase) |
Zweifache special resolution (Sec. 694, 716 CA 2006) |
Bestellung des Prüfers |
ordinary resolution |
Beschluss über das Prüfungshonorar |
ordinary resolution |
Abberufung des Prüfers |
ordinary resolution mit vorhergehender ausdrücklicher Ladung |
Genehmigung des Arbeitsvertrags eines Geschäftsführers für mehr als zwei Jahre Dauer |
ordinary resolution |
Genehmigung einer Veräußerung an/von Geschäftsführern oder nahestehenden Personen und eines Kreditgeschäfts mit Geschäftsführern |
ordinary resolution |
Genehmigung einer Spende an politische Parteien oberhalb von 5.000 £ |
ordinary resolution |
Freiwillige Liquidation |
ggf. special resolution (Sec. 84 Abs. 1 (b) Insolvency Act 1986) |
Rz. 350
Schließlich kennt das englische Gesellschaftsrecht als Beschlussform noch den einstimmigen Gesellschafterbeschluss (unanimous agreement). Einstimmige Gesellschafterbeschlüsse sind nur bei der Ltd. möglich. Rechtsgrundlage ist das Fallrecht (sog. Duomatic principle). Bei Ltd.s mit einem Gesellschafter ist zu unterscheiden, ob das Gesetz eine Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung anordnet oder nicht. Ist das Abhalten einer Gesellschafterversammlung erforderlich, muss dies auch der alleinige Gesellschafter tun, ansonsten reicht eine schriftliche Beschlussfassung (written resolution). Hat eine Ltd. mehr als einen Gesellschafter, ist der einstimmige Gesellschafterbeschluss nicht in jedem Fall wirksam. Ordnet das Gesetz eine Beschlussfassung an, der bestimmte Informationspflichten gegenüber den Gesellschaftern vorausgehen müssen (Sec. 188 Abs. 5 CA 2006), kann der einstimmige Gesellschafterbeschluss nicht als Verzicht auf alle Formerfordernisse und als Beschlussfassung im Wege der special resolution wirksam sein. In ...