1. Kapitalschutz und Konzept der Kapitalerhaltung
Rz. 154
Nach der dem englischen Fallrecht entstammenden Regel in Trevor vs. Whithworth ist zum Schutz der Gläubiger die Rückzahlung des geleisteten Kapitals an die Gesellschafter weder unmittelbar noch mittelbar erlaubt, es sei denn, sie wird in den gesetzlich geregelten Verfahren (Sec. 617 CA 2006) bewirkt. Sec. 641 CA 2006 erlaubt eine Kapitalherabsetzung, wenn die Gesellschafter dies mit einer qualifizierten ¾-Mehrheit (special resolution) beschließen und der Gesellschafterbeschluss entweder von einer Versicherung der Gesellschafter (solvency statement) oder durch gerichtlichen Beschluss bestätigt wird. Unter dem CA 2006 sind alle im Gesetz vorgesehenen Änderungen zulässig, es sei denn, die Articles beschränken die gesetzlichen Befugnisse in zulässiger Weise. Table A gibt in weiten Bereichen den gesetzlichen Regeln Raum, ohne Vorbehalte zu statuieren.
Rz. 155
Die Kapitalherabsetzung ist nach englischem Verständnis aber nur eine von mehreren Formen der möglichen Auskehr von Gesellschaftereinlagen an die Anteilseigner. Als mittelbare Formen werden Dividendenzahlungen (distributions), der Rückkauf eigener Anteile und die Einziehung von Anteilen (share-buy-back und capital redemptions), die finanzielle Unterstützung durch die Gesellschaft beim Anteilserwerb (financial assistance) sowie rechtswidrige Gewinnausschüttungen (disguised and unlawful dividends) angesehen (Sec. 617 Abs. 5 CA 2006).
Rz. 156
Das Recht der Kapitalerhaltung im englischen Recht ist zweispurig. Zum einen setzt der Schutz des Case Law und der gesetzlichen Regelungen auf der Ebene der Gesellschaft an. Dieser wird verboten, in Situationen, in denen bestimmte gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt sind, Kapital an die Gesellschafter auszukehren. Daneben existiert eine strenge Haftung der Organe der Gesellschaft.
Rz. 157
Das in diesem Zusammenhang geschützte Kapital ist nicht nur das im Memorandum niedergelegte Nominalkapital, sondern das im Rahmen der Anteilsausgabe effektiv aufgezahlte Kapital (also auch der in der Rücklage für Aufgelder verbuchte Betrag, share premium).
2. Eigenkapitalersetzendes Darlehen
Rz. 158
Das Konzept eigenkapitalersetzender Darlehen ist dem englischen Recht unbekannt. Es existieren aber Haftungsregeln für die Geschäftsführer (siehe Rdn 515 ff.).
3. Rückkauf eigener Anteile (share buy back) und Einziehung (redemption)
a) Regel-Ausnahme-Prinzip
Rz. 159
Der Rückkauf eigener Anteile wird im englischen Gesellschaftsrecht wie eine mittelbare Form der Kapitalherabsetzung angesehen (Sec. 617 Abs. 5 CA 2006). Der Rückkauf eigener Anteil hat bei kleinen Gesellschaften regelmäßig an Stelle einer Kapitalherabsetzung gestanden, wenn missliebige Gesellschafter herausgekauft wurden und um die Kosten einer gerichtlichen Zustimmung zur Kapitalherabsetzung zu vermeiden. Die Rechtsquellen für den Anteilsrückkauf finden sich wiederum im Gesetz und im Fallrecht. Dabei geht das englische Recht von einem Regel-Ausnahme-Prinzip aus:
Rz. 160
Sec. 658 Abs. 1 CA 2006 wiederholt das in dem grundlegenden Fall Trevor vs. Whithworth ausgesprochene Verbot, eigene Anteile zurückzukaufen. Neben dem grundsätzlichen Verbot des Anteilsrückkaufs enthält die Vorschrift die Aussage, dass bei Verstoß gegen diese Regelung der dem Anteilkauf zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag nichtig ist und etabliert Geldstrafen für die beteiligten Vorstandsmitglieder.
Rz. 161
Die zulässigen Formen des Anteilsrückkaufs werden in Sec. 690–708 CA 2006 als Ausnahmen vom prinzipiellen Verbot geregelt (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Die neuen Bestimmungen der Table A enthalten für Ltd.s keine Regelungen zum Rückkauf eigener Anteile mehr.
b) Gesetzliche Voraussetzungen
Rz. 162
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt werden:
Rz. 163
Zustimmung der Gesellschafter (Sec. 694 Abs. 1 CA 2006). Die Ltd. tätigt im Regelfall sog. off-market-Anteilsrückkäufe (bei nicht am Kapitalmarkt gehandelten Anteilen). Der abgeschlossene schuldrechtliche Vertrag über den Anteilsrückkauf bedarf der ausdrücklichen Zustimmung von 75 % der Anteilseigner (special resolution). Wegen des eingetretenen Prämissenwechsels (siehe Rdn 154) ist jedoch keine Ermächtigung in den Articles mehr erforderlich und in der neuen Table A auch nicht mehr enthalten.
Rz. 164
Aufgezahlte Anteile. Die zurückzukaufenden Anteile müssen vollständig aufgezahlt sein, und die noch übrig bleibenden Anteile dürfen keine sog. redeemable shares sein (Sec. 691 CA 2006).
Rz. 165
Keine Minderung des geschützten Kapitals. Der Kauf eigener Anteile darf von der Ltd. gem. Sec. 692 Abs. 1 CA 2006 aus den Rücklagen finanziert werden (vgl. näher Rdn 171).
Rz. 166
Die zurückgekauften Anteile müssen eingezogen werden (Sec. 694 CA 2006). Der Anteilsrückkauf wird bilanziell durch die Verrechnung des eingezahlten Nominalkapitals und des Bankkontos oder der Kapitalrücklage abgebildet.
Rz. 167
Mitteilung an das Register. Innerhalb von 28 Tagen nach der Übertragung der zurückgekauften Anteile an die Gesellschaft muss das Register informiert werden (Sec. 707 CA 2006).
c) Beschlussfassung über den Rückkauf eigener Anteile
Rz. 168
Bei einem Rückkauf eigener Anteile off market durch die Ltd. von...