1. Haftung für die Fortführung der Geschäfte mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht
Rz. 515
Das Gesetz sieht eine Haftung von Personen vor, wenn die Geschäfte der Gesellschaft mit der Absicht geführt werden, die Gläubiger der Gesellschaft oder andere Dritte zu benachteiligen (Sec. 213 Insolvency Act 1986 – sog. fraudulent trading), oder wenn die Gesellschaft zu einem betrügerischen Zweck gegründet wird. In der Rechtspraxis läuft dies auf eine Haftung der Geschäftsführer hinaus, es können aber auch andere Personen, z.B. die Gesellschafter, betroffen sein.
Rz. 516
Anspruchsberechtigt ist nur der Liquidator im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Der Tatbestand setzt in subjektiver Hinsicht die Absicht der Gläubigerbenachteiligung oder die absichtsvolle Täuschung über den Zweck der Gesellschaft voraus. Um diese innere Tatsache nachzuweisen, schließen die englischen Gerichte regelmäßig aus dem Verhalten der Geschäftsführer, ob dies eine Absicht indiziert. Es hat sich gezeigt, dass nur in seltenen Fällen der Tatbestand als erfüllt angesehen worden ist.
Rz. 517
Greift die Haftung ein, steht es im Ermessen der Gerichte, die Geschäftsführer zu einer Zahlung in die Insolvenzmasse zu verpflichten. Ein Strafzuschlag wird trotz des betrügerischen Handelns jedoch im Rahmen der Ersatzpflicht nicht erhoben. Als weitere Rechtsfolge ist es möglich, dass das Gericht Ansprüche der Geschäftsführer gegen die Gesellschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens als nachrangige Ansprüche einstuft (Sec. 215 Abs. 4 Insolvency Act 1986).
2. Fortführung der Geschäfte trotz Kenntnis der Insolvenz
Rz. 518
Als weiterer Haftungsgrund kommt eine Insolvenzverschleppungshaftung der Geschäftsführer in Betracht (Sec. 214 Insolvency Act 1986 – sog. wrongful trading). Die gesetzliche Anspruchsgrundlage wendet sich ausschließlich an Geschäftsführer, sie umfasst jedoch auch Hintermänner (shadow directors). Anspruchsberechtigt ist auch in diesem Fall nur der Insolvenzverwalter.
Rz. 519
Tatbestandliche Voraussetzung der Haftung ist, dass die Gesellschaft insolvent wird und im Insolvenzverfahren die Vermögenswerte der Gesellschaft nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten und Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Weiter ist nachzuweisen, dass die Geschäftsführer die Geschäfte fortgeführt haben, obwohl sie Kenntnis von der Insolvenz der Gesellschaft hatten oder die erforderliche Kenntnis hätten haben müssen. Den Geschäftsführern steht der Einwand zu, dass die Fortführung des Unternehmens objektiv darauf gerichtet war, den sich abzeichnenden Verlust für die Gläubiger zu minimieren (Sec. 214 Abs. 3 Insolvency Act 1986).
Rz. 520
Rechtsfolge einer erfolgreichen Inanspruchnahme der Geschäftsführer ist, dass das Gericht sie auf eine Leistung in die Insolvenzmasse verpflichten kann. Darüber hinaus kann das Gericht auch anordnen, dass Ansprüche der Geschäftsführer gegen die Gesellschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens als nachrangige Ansprüche zu behandeln sind (Sec. 215 Abs. 2 Insolvency Act 1986).
3. Inanspruchnahme für frühere Pflichtverstöße
Rz. 521
Das Gesetz sieht es darüber hinaus vor (Sec. 212 Insolvency Act 1986 – sog. misfeasance procedure), dass auch während des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter Pflichtverstöße gegen die Loyalitäts- und Treuepflichten (fiduciary duties) sowie gegen die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung (duty of care and skill) eingeklagt werden können.
4. Haftung für anfechtbare Rechtsgeschäfte
Rz. 522
Die Geschäftsführer gelten kraft Gesetzes als nahe stehende Personen der Gesellschaft (Sec. 239 Abs. 6 Insolvency Act 1986). Sie können daher auch für anfechtbare Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft in Anspruch genommen werden, die in einem Zeitraum von zwei Jahren vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit stattgefunden haben. Erfasst von der Regelung werden Vermögensverschiebungen, d.h. die Veräußerung von Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft oder der Erwerb von Wirtschaftsgütern von der Gesellschaft zu Preisen, die nicht den Marktpreisen entsprechen, sowie die Gewährung inkongruenter Sicherheiten für einzelne Gläubiger.
5. Berufsverbote
Rz. 523
Von enormer praktischer Bedeutung sind auch die regelmäßig anlässlich von Insolvenzverfahren ausgesprochenen gerichtlichen Berufsverbote für Geschäftsführer. Rechtsgrundlage hierfür ist ein eigenständiges Gesetz, der Company Directors Disqualification Act.
Rz. 524
Nach der gesetzlichen Systematik können aufgrund von im Gesetz niedergelegten Gründen durch die Gerichte Berufsverbote für bestimmte Zeitspannen ausgesprochen werden. Die Berufsverbote können aufgrund eigenständiger gerichtlicher Verfahren oder auch als Annexverfahren im Rahmen strafrechtlicher Verfahren oder zivilrechtlicher Verfahren, z.B. einer Klage gegen den Geschäftsführer aufgrund einer Insolvenzverschleppung, ausgesprochen werden. Die zeitliche Mindestgrenze für ein Berufsverbot beträgt zwei Jahre, die Höchstgrenze 15 Jahre. In welcher Länge ein Berufsverbot eingreift, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Schwere des Verstoßes. Es kann jedoch auch beim Gericht ein Antrag gestellt werden, vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit als Geschäftsführer ein bestehendes Berufsverbot aufzuheben. Verstöße gegen ein Berufsverbot führen zu schweren ...