1. Varianten der Dividendenausschüttung
Rz. 192
Das englische Recht unterscheidet zwischen verschiedenen Formen der gesetzlich zulässigen und auf einem ordentlichen Gewinnausschüttungsbeschluss beruhenden Ausschüttungen:
Rz. 193
a) Die herkömmliche Dividendenausschüttung (dividend), welche in Form der Ausschüttung in Geld oder aber als Sachausschüttung (dividend in specie) möglich (vgl. Table A, Art. 34) ist. Die Dividenden können auch in Form der Vorabausschüttung (interim dividend) ausgeschüttet werden. Berechtigt zur Dividende ist jeder bei der Gesellschaft registrierte Anteilseigner mit aufgezahlten Anteilen, wobei es auf die Registrierung zum Tag des Dividendenbeschlusses (declaration) ankommt. Die Dividende muss nach einer Empfehlung der Geschäftsführer (Table A, Art. 30 Abs. 1) mit einfachem Mehrheitsbeschluss von den Gesellschaftern beschlossen werden. Sie wird von den Geschäftsführern bei der Ltd. in der Praxis nur bei voll eingezahlten Anteilen ausgezahlt, da jedenfalls die Model Articles in Table A in Art. 21 die sofortige volle Aufzahlung jedes Anteils verlangen. Rechtlicher Maßstab ist die Beteiligung am Nominalkapital (Table A, Art. 30 Abs. 4).
Rz. 194
b) Eine Sonderform der Dividendenzahlung ist die sog. scrip dividend. An die Anteilseigner können anstelle einer Dividende aufgezahlte Anteile ausgegeben werden. Innerhalb der scrip dividends gibt es zwei verschiedene Ausführungsmodi: Zum einen ist es möglich, dass aus Sicht der Gesellschaft der an den Anteilseigner auszuschüttende Dividendenbetrag als wiederum im Rahmen der Anteilsausgabe eingelegt angesehen wird. In diesem Fall wählt der Gesellschafter nach dem Ausschüttungsbeschluss, diesen Betrag in die Gesellschaft einzulegen, weshalb rechtstechnisch die Gesellschaft von der Verbindlichkeit, die entstandene Dividende auszuzahlen, befreit wird. Gleichzeitig gilt ein solches Vorgehen als Ausgabe von Anteilen gegen eine Bareinlage da – wie oben ausgeführt – nach Sec. 582 CA 2006 die Befreiung der Gesellschaft von einer Verbindlichkeit der Bareinlage gleichgestellt wird. Die alternative Form der scrip dividend besteht in der Ausgabe von Bonusanteilen. In diesem Fall werden die sonst nicht ausschüttbaren Rücklagen (share premium account/capital redemption reserve) der Gesellschaft kapitalisiert. Die Anteilseigner müssen sich für diese Alternative vor Fassung des Dividendenbeschlusses entscheiden. Es werden keine Anteile gegen Bareinlage, sondern nach den speziellen Regeln für den bonus issue ausgegeben. Eine solche Kapitalisierung wird technisch nicht als "distribution" bzw. Ausschüttung nach den im Allgemeinen für Ausschüttungen geltenden Vorschriften angesehen, obwohl materiell Anteile als Sachleistung ausgeschüttet werden. Auf diese Weise wird erreicht, dass auch an sich nicht ausschüttbare Profite in Form von außerordentlichen Erträgen durch Neubewertungen der Aktiva kapitalisiert werden können.
Rz. 195
Regelmäßig werden bei Ltd.s, die in der Form von Familiengesellschaften oder mit überschaubarem Gesellschafterkreis geführt werden, keine Dividenden ausgeschüttet, sondern der Ertrag über die Zahlung von Gehältern an die Gesellschafter-Geschäftsführer wird aus der Gesellschaft "entnommen". Ein Minderheitsgesellschafter, der auf diese Art und Weise nie an den erwirtschafteten Erträgen der Gesellschaft beteiligt wird, kann dies angreifen (siehe Rdn 291 ff.).
2. Gesetzliches Regelungskonzept
Rz. 196
Grundsätzlich darf nie geschütztes Kapital, sondern dürfen nur Gewinne der Gesellschaft in jedweder Form ausgeschüttet werden. Das gesetzliche Regelungskonzept in Sec. 829–853 CA 2006, welches in den Grundzügen vom Common Law entwickelt wurde, enthält für die Ltd. nur das Verbot, Kapital an die Gesellschafter verdeckt auszuschütten, und für die plc als zusätzliche Voraussetzung den sog. net-assets-test. Der Schutzmechanismus gilt sowohl für Sach- als auch Bardividenden. Anknüpfungspunkt für den net-assets-test ist das geschützte Kapital, welches aus dem Nominalkapital der Gesellschaft sowie den nicht ausschüttbaren Kapitalrücklagen, wie der Rücklage für Aufgelder oder der Rücklage für die einziehbaren Anteile, besteht (sog. undistributable reserves) und durch die Ausschüttung nicht vermindert werden darf.
Rz. 197
In der Ltd. dürfen nach den erleichterten Voraussetzungen realisierte Gewinne ausgeschüttet werden (Sec. 830 Abs. 1 CA 2006). Ausschüttungen sind erlaubt, wenn
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die kumulierten, realisierten Gewinne der Gesellschaft (soweit die Profite noch nicht für eine Ausschüttung oder Kapitalisierung zur Ausgabe von Bonusanteilen verwendet wurden) |
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abzüglich der kumulierten, realisierten Verluste der Gesellschaft (soweit als die Verluste noch nicht abgeschrieben oder durch einen Kapitalschnitt reflektiert worden sind) |
zu einem positiven Differenzbetrag führen. Es handelt sich demnach um über die Geschäftsjahre fortzuschreibende Größen. Ausschüttbar ist eben dieser Betrag, da er den Maßstab enthält, inwieweit realisierte Gewinne und kein Kapital für die Ausschüttung verwendet werden.
Rz. 198
Das Gesetz enthält sehr weit gehende Vo...