Leitsatz
1. Artikel 2 Nummer 1 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass eine Dienstleistung, die gegen Entgelt erbracht wird, aber auf eine unvollkommene Verbindlichkeit zurückgeht, weil vereinbart worden ist, dass der Dienstleistende hinsichtlich der Erbringung dieser Dienstleistung nur eine Ehrenschuld eingeht, einen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsatz darstellt.
2. Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass der Gesamtbetrag der vom Veranstalter eines Wettbewerbs eingenommenen Teilnahmegebühren die Besteuerungsgrundlage für diesen Wettbewerb bildet, wenn der Veranstalter über diesen Betrag frei verfügen kann.
Normenkette
Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL , Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL (vergl. § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1 UStG)
Sachverhalt
T&C veranstaltete einen Ratewettbewerb. Die Teilnahmegebühr verwandte T&C für die ausgesetzten Preise. Nach den Spielregeln willigen die Teilnehmer u.a. darin ein, dass der Wettbewerb für den Veranstalter nur eine Ehrenschuld begründet. Die Preise wurden den Gewinnern stets ausbezahlt oder ausgehändigt. T&C meinte, eine Ehrenschuld sei kein Entgelt; Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sei nur der um den Wert der Preise verminderte Gesamtbetrag der Teilnahmegebühren.
Entscheidung
Der EuGH bejahte einen Leistungsaustausch, denn der Veranstalter beanspruchte für die Teilnahme am Wettbewerb das in Form von Teilnahmegebühren bezogene Entgelt; dass der Anspruch auf die Preise Ehrenschuld war, war unerheblich. – Es wäre zu hübsch, könnte man sich durch eine entsprechende Klausel aus der Umsatzsteuer ausklinken. – Besteuerungsgrundlage sind die tatsächlich erhaltenen Teilnahmegebühren (Verwendung ist irrelevant).
Hinweis
Der Umsatzsteuer unterliegen Leistungen gegen Entgelt; eine Leistung wird nur dann gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Das ist z.B. nicht der Fall beim Straßenmusikanten, der eine Leistung erhofft (vergl. EuGH, Urteil vom 3.3.1994, Rs. C-16/93 – Tolsma – Slg. 1994, I-743).
Geht es um die Frage, ob ein Rechtsverhältnis vorliegt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, kommt es auf die Durchsetzbarkeit der Verpflichtung zur Leistung nicht an; es macht keinen Unterschied, ob die Verpflichtung aus einem Rechtsverhältnis ganz oder teilweise daran scheitert, dass dem Betreffenden die Erfüllung seiner Leistungspflicht unmöglich wird oder ob sie von vornherein nur als Ehrenschuld vereinbart ist. Bleibt eine Gegenleistung ganz oder teilweise aus, berührt dies nur die Höhe der Bemessungsgrundlage.
Bemessungsgrundlage ist grundsätzlich das vereinbarte Entgelt. Ohne Bedeutung für die Bemessungsgrundlage ist, ob das vereinnahmte Entgelt zum Teil zur Erfüllung der Leistungspflicht verwendet wird. Die Bemessungsgrundlage mindert sich daher nicht, wenn Teilnahmegebühren für ein Spiel dazu verwendet werden, die versprochenen Preise zu bedienen.
Für Geldspielautomaten, die so konzipiert waren, dass ein bestimmter Mindestprozentsatz auszuschütten und dieser Teil der Einsätze technisch und gegenständlich von den Einsätzen getrennt waren, die der Betreiber tatsächlich erhielt, hatte der EuGH im Urteil vom 5.5.1994, Rs. C-38/93 – Glawe – (Slg. 1994, I-1679) entschieden, Bemessungsgrundlage sei nur der dem Betreiber zustehende Betrag. Das war ein Sonderfall, weil der Betreiber nie über den auszuschüttenden Teil verfügen konnte; er war ihm von vornherein entzogen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 17.9.2002, Rs. C-498/99 – Town & County Factors Ltd –