Leitsatz

Entscheiden nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschafter über die jährliche Entnahmepraxis, liegt in einer für den Einzelfall verabredeten und danach über Jahre geübten Praxis, dass sämtliche freien Beträge entnommen werden, keine Änderung des Gesellschaftsvertrags. Vielmehr ist lediglich von einer bis auf Widerruf geltenden stillschweigenden Beschlussfassung der Gesellschafter auszugehen.

 

Sachverhalt

Die Parteien sind paritätische Gesellschafter einer OHG. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags dürfen sie einseitig Entnahmen in Höhe ihres Geschäftsführergehalts, der auf dem Kapitalkonto angefallenen Zinsen und der Beträge tätigen, die zur Bezahlung der auf die Beteiligung entfallenden Steuern und Abgaben benötigt werden. Ferner enthält § 11 Abs. 3 Satz 3 folgende Klausel: "Alle weiteren Entnahmen bedürfen eines Beschlusses der Gesellschafter." Änderungen des Gesellschaftsvertrags unterliegen überdies der Schriftform. Zwischen 1984 und 1997 entnahmen die Beteiligten höhere Beträge auch zu anderen Zwecken. Der Kläger verlangt vom Beklagten, derartige Entnahmen künftig zu unterlassen. Die Revision gegen die antragsgemäße Verurteilung hat der BGH als unbegründet verworfen.

 

Entscheidung

Die Parteien haben sich ab 1984 durch ihre Entnahmepraxis lediglich auf eine vorläufig verbindliche Beschlussfassung über eine Erweiterung der Entnahmebefugnisse geeinigt, aber nicht konkludent eine dauerhaft gültige Vertragsänderung getroffen, die die Entnahmerechte grundlegend geändert hätte. Zwar kann die langjährige Übung einer bestimmten Gesellschafterpraxis zu einer stillschweigenden Änderung des Gesellschaftsvertrags führen[1]. Aus der festgestellten Vorgehensweise kann aber ein Wille, den Gesellschaftsvertrag für alle Zukunft verbindlich zu ändern, nicht hergeleitet werden. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Entnahmeausweitung, die auch ohne vertragliche Korrekturen möglich war. Hierfür spricht auch der Verzicht auf die für Vertragsänderungen vorgesehene Schriftform[2]. Der Kläger durfte daher der Fortsetzung der Entnahmepraxis jederzeit widersprechen, um künftig derartige Handlungen wieder der Entscheidung der Gesellschafter zu unterwerfen.

 

Praxishinweis

Im Streitfall beruhte die Entnahmepraxis unter anderem auf einer diesbezüglichen Korrespondenz zwischen den Steuerberatern der Beteiligten. Der Senat weist darauf hin, dass ein solcher Schriftwechsel keine bindenden Ergebnisse bringen kann, auch wenn die Mandanten ihn initiiert haben. Denn ein derartiger Verhandlungsauftrag an einen Steuerberater verstößt gegen das RBerG und ist daher nichtig[3]. Falls ein Sachverhaltskomplex steuerliche und allgemeinrechtliche Fragen aufwirft, bedarf der Auftraggeber einer fachkundigen Beratung auf beiden Rechtsgebieten. Der Steuerberater wird in seinem beruflichen Aufgabenbereich nicht eingeschränkt, wenn ein Rechtsanwalt für die inhaltliche Fassung und Abgabe der zivilrechtlich erforderlichen Erklärungen hinzugezogen wird. Beratung allgemeinrechtlicher Art, die – wie die Konzeption eines Gesellschaftsvertrags – nicht zu seinem Wirkungskreis gehört, hat der Steuerberater zu unterlassen[4].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 18.4.2005, II ZR 55/03

[1] Vgl. bereits BGH-Urteil vom 17.1.1966, II ZR 8/64, NJW 1966, S. 826
[2] Vgl. ergänzend BGH-Urteil vom 17.5.2004, II ZR 261/01, INF 2004, S. 532

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