OFD Münster, Verfügung v. 9.2.2009, o. Az.
Allgemeines
Die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) wurde 1998 mit Inkrafttreten des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes (EAEG) errichtet. Seither sind alle Wertpapierhandelsunternehmen (Finanzdienstleister, Kreditinstitute, die keine Einlagenkreditinstitute sind, und Kapitalanlagegesellschaften) verpflichtet, ihre Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften durch Zugehörigkeit zu einer Entschädigungseinrichtung (EdW) zu sichern.
Aufgabe der EdW ist es, im Schadensfall betroffene Anleger aus ihrem Vermögen zu entschädigen. Reicht das Vermögen für die Durchführung des Entschädigungsfalls nicht aus, kann die EdW gem. § 8 Abs. 2 EAEG Sonderbeiträge ihrer Mitglieder erheben oder Kredite aufnehmen.
Sachverhalt
Am 15.3.2005 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Phoenix Kapitaldienst GmbH (Mitglied der EdW) den Entschädigungsfall festgestellt und damit die Voraussetzungen für ein Entschädigungsverfahren der EdW geschaffen. Da das Vermögen der EdW nicht für die Durchführung der Entschädigung ausreichte, hat die EdW Sonderbeiträge ihrer Mitglieder erhoben. Die Sonderbeitragsbescheide wurden Ende Dezember 1997 versandt.
Rechtliche Beurteilung
Hinsichtlich der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung der Sonderbeitragszahlungen an die EdW gilt nach Abstimmung auf Bund-/Länderebene Folgendes:
In der steuerlichen Gewinnermittlung sind die Sonderbeiträge als Betriebsausgaben abzuziehen. Sofern angeforderte Beiträge am Bilanzstichtag noch nicht geleistet wurden, sind sie als Verbindlichkeit zu passivieren. Dagegen können an Bilanzstichtagen vor dem Tag der Bekanntgabe der Sonderbeitragsbescheide keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten angesetzt werden.
Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten darf u.a. nur dann gebildet werden, wenn es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt. Darüber hinaus ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten auch zu bilden, wenn sich die Verpflichtung zwar nicht aus einem am Bilanzstichtag bestehenden Vertrag, sondern aus einer Branchenübung ergibt (faktischer Leistungszwang). Einem sog. faktischen Leistungszwang liegen Leistungsverpflichtungen zugrunde, denen sich ein Kaufmann aus sittlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann, obwohl keine Rechtspflicht zur Leistung besteht.
Ferner muss die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag verursacht worden sein. Dies setzt voraus, dass die ungewisse Verbindlichkeit so eng mit dem betrieblichen Geschehen des abgelaufenen Wirtschaftsjahres verknüpft ist, dass sie wirtschaftlich als eine bereits am Bilanzstichtag bestehende Verpflichtung anzusehen ist. Dies ist der Fall, wenn das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1991, BStBl 1992 II S. 336) und damit der Tatbestand, an den das Gesetz die Verpflichtung knüpft, im Wesentlichen bereits verwirklicht ist.
In o.a. Fällen entstand die Verpflichtung zur Zahlung der Sonderbeiträge erst mit der schriftlichen Bekanntgabe der Sonderbeitragsbescheide der EdW. Vor diesem Zeitpunkt bestand weder eine „Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten/öffentlichrechtliche Verpflichtung”, noch war von einem faktischen Leistungszwang auszugehen; denn bis zum Erlass der Sonderbeitragsbescheide stand nicht fest, ob und inwieweit die Finanzierung der Entschädigungsleistungen durch Sonderbeiträge der Mitgliedsinstitute oder durch Kreditaufnahme erfolgen würde (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 4 EAEG).
Im Übrigen scheidet eine Rückstellungsbildung auch schon deswegen aus, weil die Verpflichtung seitens der Mitgliedsinstitute nicht vor dem Bilanzstichtag verursacht worden ist. Zwar hat die BaFin den Entschädigungsfall für die Phoenix Kapitaldienst GmbH bereits am 15.3.2005 festgestellt; hiermit ging aber nicht die Verpflichtung der Mitgliedsinstitute zur Zahlung der Sonderbeiträge einher, vielmehr entstand diese Verpflichtung erst mit der Bekanntgabe der Sonderbeitragsbescheide der EdW. Maßgebend ist aber, dass die Erfüllung einer entstandenen Verpflichtung ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Bezugspunkt in der Vergangenheit findet und die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1987, BStBl 1987 II S. 848). Letztere Voraussetzung ist in vorliegend bezeichneten Fällen nicht erfüllt.
Normenkette
EStG § 5