Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Zur Auslegung eines Rechtsbeschwerde-Zurückweisungsantrags bei Verstoß des Erstbeschwerdegerichts gegen den Grundsatz der Bindung an Parteianträge
Normenkette
§ 426 Abs. 1 BGB, § 308 ZPO, § 27 FGG
Kommentar
1. Ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGBentsteht nicht erst, wenn ein Gesamtschuldner (Miteigentümer) an den Gläubiger (bzgl. einer Forderung gegen die Gemeinschaft) leistet, sondern von vorneherein mit dem Zustandekommen des Gesamtschuldverhältnisses (hier: Freistellungsanspruch von Schadenersatzansprüchen). Nimmt wie hier ein Gläubiger der Wohnungseigentümergemeinschaft einen der Miteigentümer als Gesamtschuldner in Anspruch, so kann dieser von den anderen Gesamtschuldnern verlangen, ihn von der Verbindlichkeit in der Höhe zu befreien, die der internen Ausgleichspflicht entspricht. Es ging hier um einen Balkonerrichtungsauftrag mit Zahlungsverpflichtung aller Eigentümer im Außenverhältnis gegenüber der Baufirma.
2. Im Innenverhältnis waren nach getroffener Gemeinschaftsordnungs-Vereinbarung allerdings zur Bezahlung der Balkonanbauten nur die Eigentümer verpflichtet, an deren Wohnungen ein Balkon angebaut worden war. Der Verwalter durfte somit den von der Antragsgegnerin geschuldeten und von ihr nicht bezahlten Anteil an den Gesamtkosten des Balkonanbaus nicht dem Gemeinschaftskontoentnehmen, sondern hätte notfalls gerichtlich gegen sie vorgehen müssen.
Eine Gesamtschuld kann gegeben sein zwischen dem Schadenersatzanspruch der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter wegen Verletzung des Verwaltervertrages und einem Aufwendungs-Erstattungsanspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer. Eine Gesamtschuld setzt nicht voraus, dass beide Forderungen auf demselben Rechtsgrund beruhen; im vorliegenden Fall ist die erforderliche Gleichstufigkeit gegeben.
3. Da es in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht zulässig ist, neue Sachanträge zu stellen, ist es regelmäßig nicht möglich, den Antrag auf Zurückweisung der Rechtsbeschwerde dahingehend auszulegen, dass der Rechtsbeschwerdegegner seinen im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag ändert, um den ihm vom Beschwerdegericht zugesprochenen Vorteil zu behalten. Nur wenn Tatsachen, die einer solchen Antragsänderung zugrunde liegen, bereits in der Tatsacheninstanz festgestellt worden sind, kommt eine entsprechende Auslegung des Zurückweisungsantrags in Betracht und kann der vom Beschwerdegericht begangene Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (Bindung an Parteianträge) in der Rechtsbeschwerdeinstanz auf diese Weise geheilt werden.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 01.10.1998, 2Z BR 108/98( BayObLG, Beschluss v. 1. 10. 1998, Az.: 2Z BR 108/98)
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