Alexander C. Blankenstein
3.1 Generalklausel
Die Wohnungseigentümer können die Veräußerung des Wohnungseigentums von einem Wohnungseigentümer verlangen, wenn dieser sich einer so schweren Verletzung seiner ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern obliegenden Pflichten schuldig gemacht hat, dass den übrigen Mitgliedern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann. Liegt ein derartiger Verstoß durch einen Wohnungseigentümer vor, haben die Wohnungseigentümer einen weiten Ermessensspielraum, ob ein Entziehungsbeschluss gefasst werden soll.
Arglistige Täuschung
Ist ein Wohnungseigentümer gleichzeitig Verwalter der Wohnungseigentumsanlage, kann ein unredliches Verhalten in dessen Eigenschaft als Verwalter auch Rückwirkungen auf die Zumutbarkeit seines Verbleibens in der Gemeinschaft haben. Eine arglistige Täuschung bei Abschluss des Verwaltervertrags kann zur Entziehung berechtigen.
Grundsätzlich haben die Wohnungseigentümer jede Handlung zu unterlassen, die das Ansehen der Gemeinschaft nach außen herabsetzt oder im Innenverhältnis den Gemeinschaftsfrieden und das Vertrauensverhältnis stört.
Entziehungsgründe sind insbesondere:
Schmähungen
Schmähungen eines anderen Wohnungseigentümers gegenüber Dritten.
Grundlose Widersprüche
Dauernde und grundlose Widersprüche gegen Maßnahmen der Verwaltung und des Verwalters.
Dauernde Misstrauensbekundungen
Dauernde Misstrauensbekundungen, Tätlichkeiten und/oder Beleidigungen gegenüber anderen Wohnungseigentümern und dem Verwalter.
Erhebliche Nachbarschaftsstreitigkeiten
Erhebliche Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Nachhaltige Verhinderung von Erhaltungsmaßnahmen
Die Entziehung des Wohnungseigentums kann auch begründet sein, wenn sich ein Wohnungseigentümer hartnäckig weigert, den bestandskräftig beschlossenen Austausch der Fenster seiner Wohnung zu dulden. Die Weigerungshaltung erweist sich jedenfalls dann als besonders hartnäckig, wenn der Wohnungseigentümer über 4 Jahre die Beschlussumsetzung trotz Erwirkens eines Duldungstitels, Durchführung des Vollstreckungsverfahrens mit Festsetzung von Zwangsgeldern i. H. v. ca. 17.500 EUR und Einleitung des gerichtlichen Entziehungsverfahrens verhindert.
Hingegen ist es unzulässig, einen Wohnungseigentümer unter Androhung der Entziehung des Wohnungseigentums dazu zu bewegen, in Zukunft Beschlüsse der Gemeinschaft nicht mehr anzufechten.
Allerdings kann die Entziehung des Wohnungseigentums dann in Betracht kommen, wenn die Beschlussanfechtungen rechtsmissbräuchlich sind, sie insbesondere wohnungseigentumsfremden oder -feindlichen Zielen dienen und nach Intensität und Umfang ihrer Instrumentalisierung für solche Ziele, den übrigen Wohnungseigentümern nicht mehr zuzumuten sind. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs genügt es aber nicht, wenn der Wohnungseigentümer Anfechtungsklagen nicht oder nicht nachvollziehbar begründet oder von seinen Rechten in großem Umfang, etwa durch die Erhebung zahlreicher Anfechtungsklagen, Gebrauch macht. Es kommt auch nicht darauf an, ob solche Klagen im Ergebnis Erfolg haben. Ein Rechtsmissbrauch kann auch bei lediglich querulatorischen Anfechtungsklagen nicht angenommen werden.
Zu beachten ist des Weiteren, dass eine Entziehung des Wohnungseigentums auch dann nicht infrage kommt, wenn sich der Kläger in dem entsprechenden Verfahren – also derjenige Wohnungseigentümer, der die Eigentumsentziehung initiiert – selbst nicht redlich verhält und auch von ihm die Entziehung seines Wohnungseigentums verlangt werden könnte.
Allerdings ist diese Konstellation letztlich in aller Regel beschränkt auf Zweiergemeinschaften.
"Messie"-Problematik
Grundsätzlich kann die Entziehung des Wohnungseigentums in Betracht kommen, wenn ein Wohnungseigentümer unter dem "Messie-Syndrom" leidet und es hierdurch zu erheblichen Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer kommt. Können etwa wegen Vermüllens der Wohnung erforderliche Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum nicht durchgeführt werden, kommt es infolge der Vermüllung zu Ungezieferbefall bzw. einer Rattenplage und zu Geruchsemissionen, ist das Maß in aller Regel voll.
Dringend zu beachten ist insoweit aber, dass nicht vergangene Pflichtverletzungen mittels Entziehung des Wohnungseigentums geahndet werden können, sondern stets eine Wiederholungsgefahr bestehen muss. Es sind also durchaus Fälle denkbar, in denen ein Wohnungseigentümer aufgrund vorübergehender physischer oder psychischer Disposition nicht in der Lage ist, z. B. Müll zu entsorgen, wodurch es ggf. zu Geruchsbelästigungen und Ungezieferbefall kommt. Ist jedenfalls aufgrund konkreter Umstände abzusehen, dass sich sein Zustand bessern wird, kommt eine Entziehung des Wohnungseigentums nicht in Betracht. Die Entziehung kann nur als ultima ratio erfolgen.