9.1 Allgemeines
Auskunftsansprüche gibt es im Erbprozess in mannigfaltiger Form. Ihre erhebliche Bedeutung für die Praxis entspringt dem Erfordernis eines konkreten Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und der korrekten Parteibezeichnung nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Eine gegen einen Nachlasspfleger gerichtete Klage ist unzulässig. Richtigerweise muss das Passivrubrum gegen die unbekannten Erben des Erblassers X, gesetzlich vertreten durch den Nachlasspfleger Y, gerichtet sein und es ist auch zu beantragen, die unbekannten Erben und nicht den Nachlasspfleger zur Auskunft und/oder Zahlung an den Kläger zu verurteilen.
Zielsetzung des Auskunftsanspruchs ist insbesondere die Bezifferung einer Geldforderung oder die konkrete Bezeichnung herauszugebender Gegenstände. Je nach seinem Inhalt und Umfang bestimmen sich die Rechtsfolgen. Grundsätzlich ist die Auskunft als Wissenserklärung geschuldet; allein im Rahmen des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht ausnahmsweise ein Anspruch auch auf Wertermittlung. Der Pflichtteilsberechtigte hat bei Auskunftsansprüchen wegen seines Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs grundsätzlich keinen Anspruch auf Belegvorlage.
Umstände, die die Testierfähigkeit beeinflussen können, können dagegen niemals Inhalt einer Auskunftsklage sein.
Gemäß § 260 Abs. 1 BGB ist die Auskunft in Form eines geordneten Bestandsverzeichnisses zu erfüllen, soweit sie über den Bestand eines Inbegriffs von Gegenständen geschuldet ist.
Als "Auskunftsschuldner" gilt es zu beachten, dass in der Erteilung einer Auskunft bereits das Anerkenntnis des Leistungsanspruchs dem Grunde nach gesehen werden kann. Bestehen hier Zweifel, sollte die Auskunft den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass die Auskunft ohne Anerkenntnis des Rechtsgrundes erteilt wird.
Wurde der Beklagte bereits zur Auskunft durch ein notarielles Nachlassverzeichnis verurteilt, fehlt dem Kläger für einen auf Erteilung eines privaten Verzeichnisses über den Bestand des realen und fiktiven Nachlasses gerichteten Klageantrag das Rechtsschutzbedürfnis.
9.2 Auskunftsansprüche im Einzelnen
Relevante gesetzlich geregelte Auskunftsansprüche finden sich nicht nur in erbrechtlichen Normen, sondern auch im schuldrechtlichen Teil des BGB. Zudem gibt es darüber hinaus eine Reihe von durch Richterrecht anerkannten Auskunftsansprüchen. Auch das Familienrecht hält eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Auskunftsansprüchen mit erbrechtlicher Bedeutung parat.
Im Einzelnen gibt es folgende speziell erbrechtliche Auskunftsansprüche:
- Anspruch des Miterben auf Auskunft über Vorempfänge gegen den Miterben aus § 2057 BGB und gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 242, 2057 BGB;
- Wertermittlungsanspruch bei "überquotaler Teilungsanordnung" bzgl. zugewiesener Gegenstände eines Miterben gegen einen anderen Miterben aus § 242 BGB;
- Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des pflichtteilsberechtigten Nichterben gegen den Erben aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB, des Nacherben gegen den Vorerben aus § 2127 BGB, des endgültigen Erben gegen den vorläufigen Erben aus §§ 1959, 681, 666 BGB, des Erben gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 2218, 666 BGB, des Testamentsvollstreckernachfolgers gegen seinen Vorgänger aus §§ 2218, 666 BGB, des Erben gegen den Nachlassverwalter aus §§ 1988, 1890, 1975, 1915 BGB, des Erben und des Nachlasspflegernachfolgers gegen den Nachlasspfleger(-vorgänger), ggf. i. V. m. einem Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung) aus §§ 1960, 1890, 1915 (ggf. i. V. m. § 260 Abs. 2) BGB, des Pfändungspfandgläubigers eines Erbteils gegen den Erben bzw. den Testamentsvollstrecker aus § 836 Abs. 3 ZPO;
- Anspruch auf Auskunft über Schenkungen an Dritte des pflichtteilsberechtigten Nichterben gegen den Erben und den Beschenkten aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog), des pflichtteilsberechtigten Erben gegen den Miterben und Beschenkten aus § 242 BGB, des Nacherben gegen den Vorerben aus §§ 242, 2113 Abs. 2 BGB und des Vertragserben gegen den Beschenkten aus §§ 2287, 242 BGB;
- Ansprüche des Erben auf Auskunft über Nachlassgegenstände gegen den Erbschaftsbesitzer aus § 2027 BGB und den Hausgenossen aus § 2028 BGB;
- Anspruch auf Auskunft über mündelsichere Anlage freier Nachlassgeldmittel des Nacherben gegen den nicht befreiten Vorerben aus §§ 2119, 242 BGB;
- Anspruch auf Auskunft über die Höhe des Nachlasses bei Quotenvermächtnis oder Wertvermächtnis des Vermächtnisnehmers gegen den Erben oder andere Vermächtnisbeschwerte aus § 242 BGB;
- Anspruch auf Auskunft wegen Änderung des Bezugsrechts einer Lebensversicherung des ursprünglich Bezugsberechtigten gegen den Erben aus § 242 BGB;
- Anspruch auf Auskunft gegen den Hoferben bei Abfindung durch den weichenden Erben aus § 242 BGB;
- Anspruch auf Auskunft über einen Vermächtnisgegenstand des Nießbrauchers gegen den Er...