1.4.1 Allgemeines
Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Geldanspruch, der in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs hängt zum einen von der Höhe des gesetzlichen Erbteils ab, zum anderen vom gemeinen Wert des Nachlasses.
1.4.2 Berechnung des Werts des Nachlasses
Zur Ermittlung des Pflichtteils ist der Bestand und der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde zu legen (§ 2311 Abs. 1 BGB).
Der Wert des gemeinen Nachlasses (Nettonachlasswert) ergibt sich, indem von den Aktiva die Erblasserschulden wie auch die Erbfallschulden (z. B. die Beerdigungskosten) zum Abzug zu bringen sind. Unter die Nachlassverbindlichkeiten fallen auch die Steuerschulden des Erblassers (mit Ausnahme der Erbschaftsteuer).
Vom Abzug nicht zugelassen sind dagegen Vermächtnisse, andere Pflichtteilsansprüche oder Auflagen. Ferner sind ebenfalls nicht abzugsfähig die Kosten der Testamentseröffnung, Grabpflegekosten oder die Steuerberatergebühren für die Erbschaftsteuererklärung.
Da Bewertungsstichtag der Todestag des Erblassers ist, bleiben spätere Wertsteigerungen oder Wertminderungen ohne Auswirkung.
Wie die einzelnen Gegenstände zu bewerten sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Hierzu ist die Rechtsprechung und herrschende Meinung heranzuziehen. Nach dieser ist für die Bewertung der gemeine Wert, d. h. der Verkehrs- oder Normalverkehrswert maßgebend, der auch ggf. geschätzt werden muss.
Steuerwert nicht maßgebend
Dagegen kann der steuerliche Wert nicht herangezogen werden. Denn dieser bildet nicht den tatsächlichen Wert ab.
1.4.3 Ermittlung der Höhe des gesetzlichen Erbteils
Die Höhe des gesetzlichen Erbteils ergibt sich für den Pflichtteilsberechtigten aus den Bestimmungen der § 1924 BGB – § 1935 BGB. Hierbei ist für die Höhe der Erbquote die Anzahl der vorhandenen Erben, welche neben dem Berechtigten Berücksichtigung finden, entscheidend.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Vorschrift des § 2310 BGB. Hiernach werden alle die Personen mitgezählt, welche entweder
- durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen sind oder
- die Erbschaft ausgeschlagen haben oder
- für erbunwürdig erklärt worden sind (§ 2310 Satz 1 BGB).
Nicht mitgezählt werden dagegen Personen, welche durch einen Erbverzicht (§ 2346 Abs. 1 BGB) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind (§ 2310 Satz 2 BGB).
1.4.4 Höhe des Nachlassanspruchs
Der konkrete Anspruch des Pflichtteilsberechtigten errechnet sich, indem die halbe gesetzliche Erbquote mit dem Wert des Nachlasses zu multiplizieren ist.
Höhe des Nachlassanspruchs
Der ledige Erblasser E hat außer seinen Eltern Vater V und Mutter M keine Verwandten hinterlassen. Wegen ständiger Streitigkeiten mit Vater V setzt E seine Mutter M zur Alleinerbin ein. Der Aktivwert des Nachlasses beläuft sich auf 1.500.000 EUR, weiterhin sind von E herrührende Schulden i. H. v. 600.000 EUR vorhanden. Die Beerdigungskosten betragen 10.000 EUR.
E hat keine Abkömmlinge hinterlassen. Sein Vater V und seine Mutter M sind damit seine gesetzlichen Erben und dies zu gleichen Teilen (§ 1925 Abs. 1 BGB und § 1925 Abs. 2 BGB). Durch die Erbeinsetzung der Mutter ist sein Vater enterbt. Da keine anderen Verwandten vorhanden sind, welche V von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würden bzw. pflichtteilsberechtigt sind (§ 2309 BGB), hat V einen Pflichtteilsanspruch gegenüber der M (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieser beträgt die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aufgrund fehlender Verwandter beläuft sich der gesetzliche Erbteil für V und M auf je 50 % (§ 1925 Abs. 2 BGB). Demnach hat V eine Pflichtteilsquote i. H. v. 25 %.
Der Wert des Nachlasses ermittelt sich wie folgt.
Aktivwert |
1.500.000 EUR |
abzüglich Schulden |
./. 600.000 EUR |
abzüglich Beerdigungskosten |
./. 10.000 EUR |
Wert des Nachlasses |
890.000 EUR |
V hat demnach einen Pflichtteilsanspruch i. H. v. 222.500 EUR (25 % von 890.000 EUR).