Zusammenfassung

Dieser Beitrag stammt aus dem in Kooperation vom Rudolf Haufe Verlag mit der überörtlich tätigen Kanzlei Graf von Westphalen erstellten Arbeitshandbuch "Erbschaftsteuerreform 2009" (Best.-Nr. 03374-0001). Diese Broschüre aus der Reihe "Haufe aktuell" enthält alles, was Sie zur der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts für eine fundierte Gestaltungsberatung wissen müssen.

Vorbemerkung

Obwohl die offizielle Umschreibung beide Übergabekomponenten (Erbfall und Schenkung) benennt, ist die technische Abkürzung ErbStG irreführend und lässt gerne die zu Lebzeiten vorgenommene unentgeltliche Übertragung "vergessen". Dass dies nicht nur in Laienkreisen der Fall ist, belegt der epochale BVerfG-Beschluss v. 7.11.2006, in dem mit kaum einem Wort auf die Schenkung eingegangen wurde.

Für den Steuerberater gehört es indes zu den vorrangigen Aufgaben, die Mandantschaft entweder auf die Steuerfolgen einer optimalen letztwilligen Verfügung vorzubereiten oder – besser – bei Vermögensgegenständen mit hohen professionellen Anforderungen die rechtzeitige Übergabe planerisch mitzugestalten. Selbstredend trifft dies insb. auf Unternehmensvermögen zu. Diesem Ziel dienen auch die nachfolgenden Ausführungen, die sich gerade auf die recht- (= vor-)zeitige Übergabe von "Kompetenzvermögen" fokussieren. Weite Bereiche des ErbStG verstehen sich insoweit als Wegbegleiter für eine optimale Nachfolgeplanung. In gewisser Weise fungiert das ErbStG (2008) geradezu als Geburtshelfer für neue Gestaltungsüberlegungen (Stimmrechtsbündelung, Unternehmensnießbrauch), birgt aber auch neue Gefahren (schädliches betriebliches "Verwaltungsvermögen").

 
Hinweis

Die nachfolgenden Ausführungen verfolgen insb. zwei Ziele:

  • Zum einen soll das dogmatische Fundament für beide Säulen des ErbStG nachbereitet werden.
  • Zweitens wird der Leser (in-)direkt mit umfangreichen Gestaltungsmöglichkeiten vertraut gemacht, die er (sie) vielleicht noch nicht alle kennt.

A Systematische Einordnung

1 Verhältnis Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

1.1 Allgemeine Überlegungen – identisches Recht

Das deutsche ErbschaftsteuerG erfasste von Anfang an (ReichserbschaftsteuerG 1906) beide Komponenten der unentgeltlichen Übertragung. Nach der historischen, amtlichen Begründung sollte damit ein Ausweichen des steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen in einen steuerfreien Korridor der Schenkung verhindert werden. In der aktuellen Rechtswirklichkeit hat aber ein Umdenken, ein sog. Paradigmenwechsel, stattgefunden. Statt der früher befürchteten Umgehung ("Ausweichen") ist aus der vorgezogenen Übertragung, der sog.vorweggenommenen Erbfolge, zwischenzeitlich ein Markenzeichen des Berufsstands der Steuerberater geworden. Hierzu hatten vor allem die Entscheidungen des BFH aus dem Jahr 1990 in ertragsteuerlicher Hinsicht beigetragen, insb. die damals entwickelte Fallgruppe der Übergabe gegen wiederkehrende Versorgungsleistungen.[1]

Wie schließlich aus § 1 Abs. 2 ErbStG ersichtlich wird, sind die Steuerfolgen aus den unterschiedlichen Steuertatbeständen der Erbschaft und der Schenkung weitestgehend identisch.

Während sich dieser Grundsatz als einfachgesetzliches Postulat aus § 1 ErbStG ableiten lässt, überraschen weitgehende Urteilspassagen aus den letzten Entscheidungen des BVerfG zum ErbStG (Beschluss v. 22.6.1995, NJW 1995, 2624 sowie Beschluss v. 7.11.2006, DStR 2007, 235). In beiden Fällen wird – wenngleich mit unterschiedlicher Zielrichtung – einseitig und bedenklich (!) nur auf die Erbschaftsteuer abgestellt. Dies gilt sowohl für die Ableitung der verfassungsrechtlichen Schranken aus der Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG (BVerfG-Beschluss 1965) wie auch für das Petitum der einheitlichen finanziellen Leistungsfähigkeit wegen des (sic) einmaligen Erwerbsvorgangs (BVerfG-Beschluss 2006). Man muss hier wohl an den Gesetzgeber (notfalls an die Verwaltung) appellieren, etwaige durch diesen einseitigen Erkenntnisprozess auftretende Sollbruchstellen zu reparieren.

[1] BFH, Beschluss v. 5.7.1990, BStBl II 1990, 847.

1.2 Ausnahmen von der identischen Auslegung Erbschaftsteuer – Schenkungsteuer

Nach R 1 S. 3 ErbStR sind aber die nachfolgenden Vorschriften nicht auf Schenkungen anzuwenden:

  • Nur bei Erben sind die gesamten Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Bei Schenkungen führt eine eventuelle Schuldübernahme zu einem teilentgeltlichen Geschäft, auf das die Grundsätze der gemischten Schenkung anwendbar sind.
  • Der Pauschbetrag für Erbfallkosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3) ist naturgemäß nicht auf Schenkungen anwendbar.
  • Die Steuerfreiheit für erbrechtliche Rückerwerbe von geschenkten Vermögensgegenständen an Eltern bzw. Voreltern bezieht sich nicht auf Rückschenkungen unter Lebenden (§ 13 Abs. 1 Nr. 10).
  • Die Eingruppierung der Eltern bei Erwerben von ihren Kindern in Steuerklasse I gem. § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 soll nur auf Erwerbe von Todes wegen, nicht aber auf Schenkungen unter Lebenden Anwendung finden (R 1 Satz 3 Nr. 4 ErbStR).
  • Einen Anachronismus – die Tariferleichterung nach § 15 Abs. 3 ErbStG nur bei Erwerbe eines Schlusserben im Rahmen eines Berliner Testament s – hat schließlich das ErbStRefG beseitigt, in dem diese Vergünstigung auch den Sc...

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