1.5.1 Allgemeines

Vermächtnisse können nach ihrer Rechtsgrundlage (z. B. gewillkürte oder gesetzliche) Vermächtnisse, nach der Stellung des Bedachten und Beschwerten und nach ihrem Inhalt eingeteilt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Vermächtnisarten alphabetisch erläutert.

1.5.2 Bestimmungsvermächtnis

Hier hat der Erblasser angeordnet, dass der Beschwerte oder auch ein Dritter zu bestimmen hat, wer von mehreren Personen Vermächtnisnehmer sein soll.[1] Darüber hinaus hat auch der Beschwerte die Art, den Umfang und die Fälligkeit des Vermächtnisses festzulegen.[2] Unterfall des Bestimmungsvermächtnisses ist das Verteilungsvermächtnis.[3]

Dies kann bei der Unternehmensnachfolge genutzt werden.

[2] Loose, Erbschaftsteuer, 5. Aufl. 2022, B45.

1.5.3 Ersatzvermächtnis

Aus bestimmten Gründen kann der zunächst Bedachte (Vermächtnisnehmer) wegfallen. Hier hat der Erblasser die Möglichkeit anzuordnen, dass ein Ersatzvermächtnisnehmer anstelle des zunächst Bedachten den Vermächtnisgegenstand erhalten soll.[1] Gründe für den Wegfall des ersten Vermächtnisnehmers können z. B. dessen Tod vor dem Erbfall sein[2], wodurch das Vermächtnis unwirksam wird oder der Vermächtnisnehmer schlägt das Vermächtnis aus.[3]

1.5.4 Forderungsvermächtnis

Wurde durch den Erblasser ein Forderungsvermächtnis ausgesetzt, erhält der Vermächtnisnehmer eine dem Erblasser zustehende Forderung.[1]

1.5.5 Gattungsvermächtnis

Hier hat der Erblasser angeordnet, dass der Vermächtnisnehmer nur eine Sache erhalten soll, die der Gattung nach bestimmt ist.[1] Beim Gattungsvermächtnis handelt es sich um gleichartige Gegenstände.

1.5.6 Geldvermächtnis

Beim Geldvermächtnis erwirbt der Bedachte den Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme.

1.5.7 Gesetzliche Vermächtnisse

Zu den gesetzlichen Vermächtnissen zählen der Voraus des Ehegatten[1] und der so genannte "Dreißigste".[2]

Beim Voraus erhält der überlebende Ehegatte (sofern er gesetzlicher Erbe neben Verwandten erster Ordnung ist) die Gegenstände, die er zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Ist der überlebende Ehegatte dagegen gesetzlicher Erbe neben Verwandten zweiter Ordnung oder neben Großeltern, so erhält er den ehelichen Haushalt und die Hochzeitsgeschenke.

Der Erbe ist nach § 1969 BGB verpflichtet, Familienangehörigen, die zum Hausstand des Erblassers gehört und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten.

1.5.8 Hauptvermächtnis

Hat der Erblasser einen Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis oder mit einer Auflage beschwert, dann liegt ein Hauptvermächtnis vor.[1]

1.5.9 Kaufrechtsvermächtnis

Der Erblasser räumt dem Vermächtnisnehmer die Möglichkeit ein, einen Gegenstand aus dem Nachlass zu einem bestimmten, i. d. R. niedrigeren Preis zu erwerben. Dies kann z. B. ein Grundstück sein.[1]

[1] Loose, Erbschaftsteuer, 5. Aufl. 2022, B44.

1.5.10 Nachvermächtnis

Hat der Erblasser festgelegt, dass den Vermächtnisgegenstand ab einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis ein weiterer Vermächtnisnehmer erhalten soll, so liegt ein Nachvermächtnis vor.[1]

 
Praxis-Beispiel

Nachvermächtnis

Erblasser E hat in seinem Testament u. a. angeordnet, dass seine Cousine C das Einfamilienhaus im Wege des Vermächtnisses erhalten soll. Nach deren Tod soll das Einfamilienhaus der Bruder B erhalten.

Lösung

Es liegt ein Nachvermächtnis vor.

Wurde ein Nachvermächtnis angeordnet, kommen auch bestimmte für die Nacherbschaft geltende Vorschriften zur Anwendung.[2] Dies sind z. B.

  1. § 2102 BGB Nacherbe und Ersatzerbe
  2. § 2106 BGB Eintritt der Nacherbfolge
  3. § 2110 BGB Umfang des Nacherbenrechts

1.5.11 Nießbrauchsvermächtnis

Das Nießbrauchsvermächtnis stellt ein interessantes Mittel zur Gestaltung der Nachfolgeplanung dar. Hierbei räumt der Erblasser dem Vermächtnisnehmer einen Nießbrauch an einem Gegenstand des Nachlasses ein. Geregelt ist das Nießbrauchsvermächtnis in § 1089 BGB, wonach die Bestimmungen der §§ 10851088 BGB entsprechende Anwendung finden.

Durch den Nießbrauch erhält der Vermächtnisnehmer das unvererbliche und nicht übertragbare Recht, alle Nutzungen aus der belasteten Sache zu ziehen.[1]

Als Gegenstand eines Nießbrauchs kommen der Nießbrauch an Sachen (z. B. Grundstücke), an Rechten (z. B. die Beteiligung an einer Personengesellschaft oder an einer GmbH), an einer verzinslichen Forderung und an einem Vermögen (z. B. die gesamte Erbschaft) in Betracht.

Häufigster Anwendungsfall dürfte wohl der Nießbrauch an einem Grundstück sein.

 
Praxis-Beispiel

Nießbrauchsvermächtnis

Erblasser E hat seinen Sohn S zu seinem Alleinerben eingesetzt. Seiner Lebensgefährtin LG hat E ein lebenslanges Nutzungsrecht an einem Mietwohngrundstück eingeräumt. Damit bezweckt E die wirtschaftliche Absicherung der LG.

Gleiches gilt auch für ein Wohnrecht.

1.5.12 Pflichtteilsvermächtnis

Beim Pflichtteilsvermächtnis wird ein Geldbetrag in genau der Höhe des Pflichtteilsanspruchs vermacht.[1]

[1] Vgl. Lange, Erbrecht, 2017, § 28 ErbStG Rz. 110.

1.5.13 Quotenvermächtnis

Hier erhält der Vermächtnisnehmer einen Bruchteil von dem Barerlös des nach Abzug der Nachlass...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge