1.1 Allgemeines
Der Erblasser kann einen Erben (Nacherben) in der Weise einsetzen, dass dieser erst dann zum Erben wird, wenn zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Hierbei gibt es die zeitliche Grenze nach § 2109 Abs. 1 BGB zu beachten. Demnach wird die Einsetzung eines Nacherben mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam. Ausgenommen sind die Fälle, dass die Nacherbfolge eingetreten ist.
Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft erfolgt durch Verfügung von Todes wegen, d. h. entweder durch Testament oder durch Erbvertrag. Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe werden Erben desselben Erblassers und desselben Vermögens. Dies ist aber nicht gleichzeitig möglich (in diesem Fall würde eine Erbengemeinschaft vorliegen), sondern zeitlich nacheinander.
Sondervermögen
Der Nachlass ist beim Vorerben ein von dessen eigenem Vermögen zu trennendes Sondervermögen.
Verstirbt der Vorerbe, dann geht das Vorerbschaftsvermögen auf den Nacherben über, während das eigene Vermögen auf die gesetzlichen oder eingesetzten Erben des Vorerben übergeht.
In vielen Fällen wird aber die Person des Nacherben und des Erben nach dem Vorerben identisch sein.
Der Nacherbfall kann zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis eintreten, den der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen festgelegt hat. Dies kann z. B. die Wiederheirat des Vorerben (regelmäßig der überlebende Ehegatte) sein. In diesem Fall bleibt die Einsetzung eines Nacherben mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall wirksam.
Wurde darüber keine Anordnung getroffen, dann tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein.
Vor- und Nacherbschaft
Der verwitwete Erblasser E hat in seinem Testament bestimmt, dass zunächst seine kinderlose Tochter T seine Erbin werden soll. Mit deren Tod soll Nichte N seine Erbschaft erhalten.
Lösung:
Tochter T ist hier als Vorerbin eingesetzt. Verstirbt T, geht der Nachlass auf die Nichte N über, welche somit als Nacherbin anzusehen ist.
Bildliche Darstellung der Vor- und Nacherbschaft:
1.2 Gründe für bzw. gegen die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft
Die folgenden Gründe können für den Erblasser Beweggrund sein, eine Vor- und Nacherbschaft anzuordnen:
- Bestimmte Personen (z. B. der geschiedene Ehegatte oder der eingetragene Lebenspartner nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft) sollen nicht an seinem Vermögen teilhaben.
Ziel Ausschluss des geschiedenen Ehegatten
Der vermögende E hat sich von seiner Frau F, mit der er in Gütertrennung gelebt hat, scheiden lassen. Aus der gemeinsamen Ehe ist Sohn S hervorgegangen. Andere Verwandte des E sind nicht vorhanden.
Der Wille des E ist dahin gehend, dass Sohn S sein Erbe werden soll. Keinesfalls soll aber die geschiedene F an seinem Vermögen partizipieren.
Errichtet E kein Testament oder setzt er den S zu seinem Erben ein, dann wird S mit dem Tod von E dessen alleiniger Erbe. Verstirbt nun auch S (ohne Testament) und hinterlässt dieser keine Abkömmlinge, dann wird dessen Mutter (F) seine gesetzliche Erbin (§ 1925 BGB) und erhält somit den Nachlass des E. Damit tritt das ein, was E nicht gewollt hat: Die geschiedene Ehefrau F erhält sein Vermögen.
Durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft kann E das verhindern.
Dies erreicht er, indem er seinen Sohn S zum befreiten Vorerben einsetzt, und eine andere Person (z. B. eine ihm nahe stehende Person) zum Nacherben.
- Das Vermögen des Erblassers soll innerhalb der Familie verbleiben und nicht an fremde Dritte übergehen.
Kein Übergang auf fremde Dritte
Erblasser E hat eine Tochter T, welche mit dem nicht ehelichen Lebensgefährten L zusammenlebt. Daneben hat E noch eine Nichte N. Andere Verwandte sind nicht mehr vorhanden. Tochter T hat ihren Lebensgefährten zum Alleinerben eingesetzt.
Lösung
Beim Tod des Erblassers E geht dessen Vermögen auf die Tochter T über. Verstirbt auch die T, so geht das Vermögen des E auf den Lebensgefährten der T (einem Nichtverwandten) über. Als Lösung bietet es sich für E an, die T als befreite Vorerbin und die Nichte N zur Nacherbin einzusetzen.
- Mithilfe der Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser auf das Verhalten des Vor- und Nacherben gezielt Einfluss nehmen (z. B. Eintritt der Nacherbfolge aufgrund der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten).
- Der Erblasser kann auch eine noch nicht erzeugte Person als Nacherbin einsetzen.
Nachteile der Vor- und Nacherbschaft
Es darf hier aber nicht unbesehen bleiben, dass eine Vor- und Nacherbschaft auch nachteilig sein kann.
- Die hohe erbschaftsteuerliche Belastung (vgl. die erbschaftsteuerliche Behandlung).
Es können Streitigkeiten zwischen dem Vor- und Nacherben auftreten.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu befürchten ist, dass der Vore...