Wenn der Erblasser in der Absicht den Vertragserben zu beeinträchtigen einen Dritten nach Abschluss des Erbvertrages beschenkt hat, so kann der Vertragserbe im Erbfall von dem Beschenkten das Geschenk innerhalb von drei Jahren nach dem Erbfall (§ 2287 Abs. 2 BGB i. V. m. § 195 BGB) kondizieren (§ 2287 Abs. 1 BGB).
Mangels Bestehens eines Anwartschaftsrechts des Vertragserben bestehen keine lebzeitigen Ansprüche gegen den Erblasser.
3.5.1.1 Grenzfälle der Schenkung
Bei der Auslegung des Schenkungsbegriffs ergeben sich die gleichen Fragen hinsichtlich der beweisrechtlichen Anforderungen wie bei den §§ 516 ff. BGB und in § 2325 BGB, etwa bei unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten, gemischten Schenkungen oder der Einräumung eines schuldrechtlichen Wohnrechts. Die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten ist nach der Rechtsprechung des BGH im Erbrecht grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln. Bei gemischten Schenkungen kann der Nachweis der Einigung über die Unentgeltlichkeit schwierig sein, aber immerhin hilft die Rechtsprechung mit einer Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung, wonach bei einem auffallenden, groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die subjektive Einigung über die Unentgeltlichkeit zu vermuten ist, und zwar nicht nur bei § 2325 BGB, sondern ebenso bei § 2287 BGB. Wenngleich die Einräumung eines schuldrechtlichen Wohnungsrechts Leihe und nicht Schenkung ist, war zunächst fraglich, ob nicht § 2287 BGB in solchen Fällen analog anzuwenden ist. Dies dürfte nach der neueren Rechtsprechung des BGH jedoch eher zu verneinen sein.
Die einvernehmliche Aufhebung eines Pflichtteilsrechtsverzichts dürfte grundsätzlich nicht als beeinträchtigende Schenkung gem. § 2287 BGB zu beurteilen sein.
3.5.1.2 Objektive Beeinträchtigung
Obschon das Gesetz mit der ausdrücklichen Erwähnung der Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers an ein subjektives Tatbestandsmerkmal anknüpft, ist es unstrittig, dass dessen Schenkung den Vertragserben darüber hinaus auch objektiv beeinträchtigen muss. Dies setzt einen Verstoß des Erblassers gegen seine erbvertraglichen Bindungen voraus. Nach h. M. finden § 2287 und § 2288 BGB keine Anwendung auf Beeinträchtigungen vor Eintritt der erbvertraglichen Bindungswirkung. Da der Erbvertrag allerdings nur die Erberwartung schützt, ist darauf abzustellen, ob die berechtigte Erberwartung des Vertragserben objektiv geschmälert ist. Wenn sich der Erblasser die Abänderung vorbehalten hat, so liegt in den Grenzen des Vorbehalts keine erbvertragliche Bindung vor, und die Abänderung kann deshalb zum Vorteil oder Nachteil des Bedachten erfolgen, ohne dass dies den Bedachten beeinträchtigen könnte. Auch wenn der Erblasser Gegenstände verschenkt, die nicht mehr zur Erbmasse gehören, etwa weil der Erblasser über die betreffende Sache im Wege eines Vorausvermächtnisses verfügt hatte, kann keine Beeinträchtigung i. S. d. § 2287 BGB eintreten.
Eine Einwilligung des benachteiligten Vertragserben ist nur dann wirksam, wenn sie entsprechend einem Erbverzicht nach § 2348 BGB notariell beurkundet wurde.
3.5.1.3 Beeinträchtigungsabsicht
Über die objektive Beeinträchtigung hinaus muss auch das subjektive Tatbestandsmerkmal der "Beeinträchtigungsabsicht" erfüllt sein, das nach der Rechtsprechung des BGH mit der Absicht den Beschenkten zu begünstigen meist untrennbar verbunden und daher in einer solchen Lage praktisch immer gegeben ist.
Nach Ansicht des BGH ist eine Benachteiligungsabsicht bereits schon dann anzunehmen, wenn dem Erblasser bewusst ist, dass er durch die Schenkung das Erbe schmälert.
Der BGH stellt zudem auf das Vorhandensein einer Missbrauchsabsicht ab. Im Rahmen der Prüfung dieses Merkmals ist eine Abwägung dahingehend vorzunehmen, ob der Erblasser eine Korrektur der erbvertraglichen Regelungen oder ein anerkennenswertes lebzeitiges Interesse verfolgt hat.