Das Recht zum Rücktritt vom Erbvertrag kann sowohl vertraglich vorbehalten (§ 2293 BGB) als auch gesetzlich begründet (§§ 2294 ff. BGB) sein. Es kann sich auf den gesamten Erbvertrag oder auch nur auf Teile davon beziehen.
4.5.1 Vertragliches Rücktrittsrecht des Erblassers
Der Erblasser kann von dem Erbvertrag zurücktreten, wenn und soweit er sich den Rücktritt im Vertrag vorbehalten hat (vgl. § 2293 BGB).
4.5.2 Vertragliches Rücktrittsrecht des Vertragspartners beim entgeltlichen Erbvertrag
Der Vertragspartner, der nicht zugleich Erblasser ist, kann nur nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 346 ff. BGB) zurücktreten, wenn er sich zu Leistungen verpflichtet oder schon Leistungen bewirkt und sich insofern den Rücktritt vertraglich vorbehalten hat. Das vertragliche Rücktrittsrecht kann formlos ausgeübt werden; die §§ 2296 f. BGB sind nicht anwendbar. Die Ausübung lässt zudem die vertragliche Verpflichtung des Erblassers nicht per se entfallen, sondern löst lediglich dessen eigenes Rücktrittsrecht aus (§ 2295 BGB). Hat der Vertragspartner keine vertragliche Verpflichtung übernommen, steht ihm kein Rücktrittsrecht zu; er kann jedoch ausschlagen.
Ist im Erbvertrag ein vorgeschaltetes Abmahnungserfordernis vereinbart, dann müssen zur Ausübung des Rücktrittsrechts die Voraussetzungen einer fruchtlosen Abmahnung dargelegt werden.
4.5.3 Die gesetzlichen Rücktrittsrechte des Erblassers
Wenn sich der Bedachte nach Errichtung des Erbvertrages einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt oder, falls der Bedachte nicht zu den Pflichtteilsberechtigten gehört, zu der Entziehung berechtigen würde, wenn der Bedachte ein Abkömmling des Erblassers wäre, so räumt das Gesetz dem Erblasser ein Rücktrittsrecht ein (§ 2294 BGB).
Ein nachträgliches Verzeihen nach § 2337 Satz 1 BGB hat keine Auswirkung auf den einmal erklärten Rücktritt, da dieser eine bloß einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist.
Wurde die Verfehlung im Vorfeld der Errichtung des Erbvertrages begangen, kommt für den Erblasser bei Unkenntnis nur eine Anfechtung in Betracht.
Ein weiteres gesetzliches Rücktrittsrecht des Erblassers besteht, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird (§ 2295 BGB). Gleichfalls ist für den Erblasser in diesem Fall eine Anfechtung wegen Motivirrtums über die künftige Vertragstreue des Bedachten möglich.
Darüber hinaus besteht kein gesetzliches Rücktrittsrecht des Vertragspartners nach §§ 323 ff. BGB, weil der Erbvertrag auch im Hinblick auf die Verpflichtungen des Vertragspartners kein gegenseitiger Vertrag gem. §§ 320 ff. BGB ist.
Ist der Erblasser allerdings über die Erbeinsetzung hinaus weitere Verpflichtungen unter Lebenden eingegangen, so finden auf diesen Vertragsteil die allgemeinen Regeln über gegenseitige Verträge, also auch der § 323 BGB mit all seinen Voraussetzungen, Anwendung. Ein entsprechender Rücktritt setzt folglich eine Mahnung unter Fristsetzung voraus. Der Rücktritt vom Erbvertrag nach § 2295 BGB darf daneben nicht vergessen werden.
4.5.4 Rücktritt und Teilrücktritt
Sind in einem Erbvertrag von beiden Teilen vertragsmäßige Verfügungen getroffen und ist in einem solchen Vertrag der Rücktritt vorbehalten, so wird durch den Rücktritt eines der Vertragschließenden grundsätzlich der ganze Vertrag aufgehoben (§ 2298 Abs. 2 Satz 1 BGB), es sei denn, dass ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen wäre (§ 2298 Abs. 3 BGB). Das Gesetz geht davon aus, dass sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen, vorbehaltlich abweichender Vertragsvereinbarungen, voneinander abhängig, also wechselbezüglich sind. Wird der Erbvertrag durch Ausübung des Rücktrittsrechts aufgehoben, so treten auch die darin enthaltenen einseitigen Verfügungen außer Kraft, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist (§ 2299 Abs. 3 BGB).
War jedoch der Rücktrittsvorbehalt auf eine einzelne Verfügung beschränkt, so wird im Regelfall anzunehmen sein, dass diese Verfügung nicht im Abhängigkeitsverhältnis zum übrigen Inhalt des Erbvertrages stehen sollte. Wenn sich der Rücktritt nur auf einzelne vertragsmäßige Verfügungen bezieht, so gilt § 2085 BGB. Gleiches gilt beim Rücktritt aufgrund gesetzlicher Rücktrittsrechte (§§ 2294 f. BGB).
Beseitigt der Erblasser die vertragliche Erbeinsetzung durch Rückritt, hat er die bis dahin aufgrund des Vertrages erhaltene Gegenleistung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erstatten. § 818 Abs. 3 BGB findet Anwendung.
4.5.5 Ungeschriebenes Abmahnungserfordernis?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem "Dauerschuldcharakter" der Vereinbarung ein ungeschriebenes Erfordernis der Abmahnung vor Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts ergeben. Dies soll gelten, wenn sich der Erblasser in einem Erbvertrag den Rücktritt für den Fall vorbehalten hat, dass de...