Nach§ 2300 Abs. 2 BGB haben alle Beteiligten eines Erbvertrages, der nur Verfügungen von Todes wegen enthält, die Möglichkeit, sich – allerdings nur an alle gemeinschaftlich – einen in die amtliche oder notarielle Verwahrung gegebenen Erbvertrag zurückgeben zu lassen, und zwar mit der Folge, dass der Erbvertrag mit der Rückgabe als aufgehoben gilt (§ 2300 Abs. 2 Satz 3, § 2256 Abs. 1 BGB). Die zurückgebende Stelle soll den Erblasser über die in Satz 1 vorgesehene Folge der Rückgabe belehren, dies auf der Urkunde vermerken und aktenkundig machen, dass beides geschehen ist (§ 2300 Abs. 2 Satz 3, § 2256 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Ist die Geheimhaltung von Informationen gewünscht, die im Erbvertrag enthalten sind, die ansonsten bei Eröffnung der Urkunde bekannt würden, ist die Rücknahme gegenüber der vertraglichen Aufhebung vorzugswürdig.
Das Ziel der Geheimhaltung kann mit der vertraglichen Aufhebung nicht erreicht werden, weil auch unwirksame Verfügungen von Todes wegen, insbesondere auch aufgehobene Erbverträge abzuliefern (§ 2259, § 2300 Abs. 1 BGB) und zu eröffnen (§ 348 FamFG) sind.
4.9.1 Zurückbehaltung einer Abschrift
Sowohl Testamente als auch Erbverträge sind nach dem Erbfall an das Nachlassgericht abzuliefern (§§ 2259, 2300 Abs. 1 BGB) und zu eröffnen (§ 348 FamFG), grundsätzlich die Urschrift, bei mehreren gleichlautenden Urschriften alle Exemplare. Ist die Urschrift nicht mehr vorhanden, so sind auch Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften – nicht aber einfache Abschriften – abzuliefern und zu eröffnen. Erst das Nachlassgericht entscheidet, ob ein Testament den gesetzlichen Anforderungen genügt, gültig, widerrufen oder gegenstandslos ist. Wenn der Notar nach Rückgabe des Erbvertrages an die Beteiligten noch eine beglaubigte Abschrift zurückbehält, so kann hierdurch das mit der Rückgabemöglichkeit bezweckte Geheimhaltungsinteresse der Beteiligten verletzt werden. Deshalb sollte der Notar den Beteiligten neben der Urschrift auch alle bei ihm vorhandenen Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften herausgeben. Unter Geheimhaltungsgesichtspunkten bestehen zwar grundsätzlich keine Bedenken, wenn der Notar einfache Abschriften aufbewahrt, weil eine einfache Abschrift nicht eröffnet und abgeliefert werden muss. Unter Beweisgesichtspunkten kann die Aufbewahrung einer solchen einfachen Abschrift sinnvoll sein, wenn es – bspw. als Beweismittel in einem Erbscheinsverfahren – wieder auf den Text des zurückgegebenen Erbvertrages ankommen sollte und eine Vertragspartei die Abschrift herausverlangt. Für diese Verfahrensweise sollte der Notar die Vertragsparteien zwingend um Zustimmung zur Zurückbehaltung einer einfachen Abschrift bitten, die er dann in der Urkundensammlung zusammen mit dem Aktenvermerk über die Rückgabe verwahren kann.
Ohne Vorliegen einer derartigen Zustimmung dürfte der Zweck der Aufbewahrung nicht mehr mit den Grundsätzen der Art. 5 ff. EU-DSGVO konform gehen, da einfache Abschriften – dem Grundsatz der Datenminimierung und -löschung Rechnung tragend – im Zweifel zu vernichten sind.
Formulierungsbeispiel:
Rückgabevermerk auf der zurückzugebenden Urschrift
Dieser Erbvertrag gilt aufgrund der am ... erfolgten Rücknahme aus der notariellen Verwahrung als aufgehoben (§§ 2300 Abs. 2, 2256 Abs. 1 BGB). ..., den ... (Name, Amtsbezeichnung)
Formulierungsbeispiel:
Aktenvermerk zur Rückgabe von Erbverträgen aus der notariellen Verwahrung (§§ 2300 Abs. 2, 2256 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 20 Abs. 3 DONot)
Am ... erschienen vor mir
..., Notar, mit dem Amtssitz in ..., in den Notariatsräumen in .. |
- Herr ..., geboren am ..., wohnhaft in ..., und dessen Ehefrau,
- Frau ..., geborene ..., geboren am ..., wohnhaft ebendort,
beide dem Notar von Person bekannt.
Ich, der Notar, überzeugte mich durch ein mit den Erschienenen geführtes Vorgespräch von ihrer uneingeschränkten Testier- und Geschäftsfähigkeit.
Die Erschienenen beantragten die Rückgabe des von ihnen am ... zur UR-Nr. ... meiner Amtsvorgängerin, Notarin ... in ..., errichteten Erbvertrags aus der notariellen Verwahrung. Sie erkannten die ihnen vorgelegte Urschrift als diejenigen an, deren Rückgabe sie beantragt haben. Ich überzeugte mich davon, dass der Erbvertrag nur Verfügungen von Todes wegen enthielt. Ich habe die Erschienenen darüber belehrt, dass die Rückgabe den vorstehend näher bezeichneten Erbvertrag unwirksam macht. Diese Belehrung habe ich auf dem Erbvertrag vermerkt. Ich habe die Erschienenen ferner darüber belehrt, dass infolge der Rückgabe die gesetzliche Erbfolge eintritt. Falls jedoch eine frühere Verfügung von Todes wegen existiert, die durch den Erbvertrag aufgehoben worden ist, diese unter Umständen wieder wirksam wird.
Daraufhin habe ich die mit den Unwirksamkeitsvermerken versehene Erbvertragsurschrift den Erschienenen ausgehändigt. Mit ihrer Zustimmung habe ich eine einfache Abschrift des Erbvertrages zur Urkundensammlung genommen. Zugleich haben die Erschienenen sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass ihre im Zusammenhang mit dem Erbvertrag gespeiche...