Leitsatz
Ändern sich die Lebensverhältnisse in der Zeit zwischen der Testamentserrichtung im Ausland und dem Erbfall auf Grund dauerhafter Übersiedelung nach Deutschland wesentlich, so kann sich durch ergänzende Auslegung ergeben, dass an die Stelle des am Ort der Testamentserrichtung vorhandenen und den Gegenstand eines Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Ehefrau bildenden Wohnhauses das zu Letzt im Inland gemeinsam genutzte Wohnhaus tritt.
Sachverhalt
Der Erblasser und seine Ehefrau lebten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in den USA und besaßen dort ein Wohnhaus, weiteres Vermögen und das streitgegenständliche Grundstück in Deutschland. Für den Fall des Erstversterbens setzte der Erblasser seine Frau zum "executor" seines Testaments ein, in dem er verfügte, dass diese neben seinen Anteilen "an unserem Wohnhaus" besonders aufgezählte wertvolle Gegenstände, darunter Oldtimer, erhalten sollte. Der Rest seines Vermögens sollte nach Bildung eines zu Gunsten der Beschwerdeführerin eingerichteten Trusts an seine Frau übergehen, die diesen durch finanzielle Mittel auffüllen sollte.
Der Erblasser verstarb nach Übersiedelung nach Deutschland, wo die Eheleute auf ihrem Grundstück lebten, als dessen Eigentümerin die Ehefrau in der Folgezeit eingetragen wurde. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin, da sie der Auffassung ist, es sei hinsichtlich des Grundstücks Vor- und Nacherbfolge angeordnet.
Entscheidung
Die Beschwerde war zurückzuweisen, weil die Ehefrau Alleinerbin des Verstorbenen ist.
Das nach dem Recht von Kansas formgültig errichtete Testament richtet sich auf Grund der deutschen Staatsbürgerschaft des Erblassers nach deutschem Recht, Art. 25 Abs. 1 EGBGB. Trotz dieses Erbstatuts sind bei der Ermittlung des Erblasserwillens materiell-rechtliche Grundsätze des amerikanischen Rechts bzw. des Rechts von Kansas zu berücksichtigen.
Die Einsetzung als "executor" mag, wie von den Vorinstanzen angenommen, in die Einsetzung als Testamentsvollstreckerin umgedeutet werden. Dahinstehen kann indessen, ob die Einsetzung eines Trusts in eine Vor- bzw. Nacherbeneinsetzung umgedeutet werden kann. Hiergegen spricht zumindest, dass der Trust nicht unmittelbarer dinglicher Rechtsnachfolger an den einzelnen Vermögensgegenständen des Erblassers werden soll, da das Vermögen zunächst zu Geld gemacht und dann erst in den Trust fließen soll. Andererseits steht der Trust nicht von vornherein der Annahme einer Erbeinsetzung entgegen, weil nach anglo-amerikanischem Recht auch ein Erbe nicht notwendiger Weise dinglicher Rechtsnachfolger des Erblassers wird.
Das streitgegenständliche Grundstück wird von dieser Frage nicht erfasst. Es ist als Teil eines Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Ehefrau anzusehen, § 2110 Abs. 2 BGB. Zwar umfasst die Anordnung ihrem Wortlaut nach nur das im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehende gemeinsame Haus in den USA. Weil sich die Lebensverhältnisse zwischen Testierzeitpunkt und Todeszeitpunkt ganz erheblich geändert haben, bedarf es der ergänzenden Auslegung. Beim Erbfall bildete nämlich das inländische Grundstück den Lebensmittelpunkt und es unterlagen die Testamentswirkungen nicht wie ursprünglich geplant dem amerikanischen, sondern dem deutschen Recht.
Dem Testament ist zu entnehmen, dass der Erblasser seiner Frau alles dauerhaft hinterlassen wollte, was sie zur Fortsetzung ihres Lebens in der gewohnten Umgebung benötigt, namentlich neben den wertvollen Automobilen auch den Eigentumsanteil des Erblassers am gemeinsamen Haus. Folglich ist dem Erblasserwillen zu entnehmen, dass das inländische Grundstück einer möglicher Weise angeordneten Nacherbeneinsetzung von vornherein entzogen ist.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 26.07.2006, 32 Wx 088/06