Leitsatz
Gegen die Mutter zweier in den Jahren 1993 und 1995 geborenen Kinder war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts anhängig. Von der Polizei waren beide Jugendliche am 6.10.2009 nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vernommen worden. Die Staatsanwaltschaft regte zur Sicherung des Beweises die richterliche Vernehmung der beiden Jugendlichen an. Bei ihrer Vernehmung machte eines der Kinder von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und erklärte, nicht aussagen zu wollen. Auf den von der Staatsanwaltschaft gestellten Antrag hin hat das AG im schriftlichen Verfahren und nach Anhörung des Jugendamtes die Bestellung eines Ergänzungspflegers für beide Jugendliche beschlossen mit dem Aufgabenkreis "Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts, Einwilligung in die Vernehmung und Ausübung eines beschränkten Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Zuführung zur Vernehmung und zu Untersuchungen".
Gegen diese Entscheidung hat die Mutter Beschwerde eingelegt.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG lagen jedenfalls die sachlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 Abs. 1 BGB im Hinblick auf das ältere im Jahre 1993 geborene Kind nicht vor.
Die minderjährige K. habe am 8.10.2009 ggü. dem Ermittlungsrichter erklärt, nicht aussagen zu wollen. Hierbei habe es zu bleiben, da auch ein zur Zeugnisverweigerung berechtigter Minderjähriger nicht gegen seinen (natürlichen) Willen zu einer Aussage gezwungen werden dürfe (vgl. hierzu BGH, NJW 1960, 1396; OLG Stuttgart FamRZ 1985, 1154/1155).
Im Übrigen könne nach den zur Akte gereichten polizeilichen Vernehmungsprotokollen vom 6.10.2009 ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die vor der Vollendung ihres 17. Lebensjahres stehende Tochter K. angesichts ihres Alters die für eine selbstverantwortliche Entscheidung erforderliche Verstandesreife besitze. Es bedürfe deshalb hier von vornherein keiner Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter/eines Ergänzungspflegers für einen etwaigen Verzicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
Das OLG hielt das Rechtsmittel der Mutter auch im Hinblick auf die Ergänzungspflegerbestellung für die jüngere Tochter für begründet.
Aus den Angaben der Staatsanwaltschaft ergebe sich nicht, dass beabsichtigt sei, die jüngere Tochter S. im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren von einem Staatsanwalt als Zeugin vernehmen zu lassen. Die Schreiben der Staatsanwaltschaft ließen auch nicht erkennen, dass der zuständige Staatsanwalt überhaupt die Frage geprüft habe, ob die jüngere Tochter die erforderliche Reife besitze, die Bedeutung ihres Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO und in dem Falle ihrer Aussagewilligkeit deren Tragweite für das Schicksal der Mutter zu begreifen. Zu dieser Verstandesreife gehöre gerade auch die Fähigkeit zu erkennen, dass die Mutter ggf. etwas Unrechtes getan habe, dass ihr dafür eine Strafe drohe und dass die eigene Aussage möglicherweise zur Bestrafung der Mutter beitragen werde (vgl. hierzu BGH, NJW 1960, 1396/1397).
Außerdem rechtfertige das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 16.10.2009 die Annahme, dass es ihr in erster Linie darum gehe, mittels der Ergänzungspflegerbestellung eine Beeinflussung von S. bzw. einer Einflussnahme auf ihr Aussageverhalten durch die Eltern bzw. einen Elternteil im Rahmen ihrer beabsichtigten Vernehmung durch den Ermittlungsrichter zu verhindern. Vor allem solle verhindert werden, dass S. im Rahmen ihrer richterlichen Vernehmung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache und nicht mehr aussagen wolle. Diese Zielsetzung der Staatsanwaltschaft sei jedoch nicht die Aufgabe der Bestellung eines Ergänzungspflegers im Rahmen des § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 17.11.2009, 10 UF 154/09