Leitsatz
1. Der Zwangsverwalter muss die Gefahr für das seiner Obhut anvertraute Eigentum durch Feststellungen vor Ort aufklären, wenn er nach erhaltenen Hinweisen mit der Möglichkeit zu rechnen hat, dass ein Mieter durch seinen vertragswidrigen Gebrauch der Wohnung den Schuldner nicht unwesentlich schädigt.
2. Versäumt der Zwangsverwalter die für ein wirksames Eingreifen gegen eine Wohnungsverwahrlosung erforderlichen Feststellungen, trifft ihn die Beweislast, dass der bei der Aufhebung der Zwangsverwaltung bestehende Verwahrlosungsschaden an der Mietwohnung nicht auf seinem Unterlassen beruht (amtlicher Leitsatz des BGH).
Normenkette
ZVG § 152
Kommentar
Gegenstand der Zwangsverwaltung war eine vermietete Eigentumswohnung. Die Zwangsverwaltung begann im Juni 1993, sie wurde im April 1997 aufgehoben. Ende 1994 teilte der Verwalter der Wohnungseigentumsanlage dem Zwangsverwalter mit, dass der Mieter die Wohnung offenbar verwahrlosen lässt. In der Wohnung werde Müll gelagert mit der weiteren Folge, dass unangenehme Gerüche in das Treppenhaus dringen. Der Zwangsverwalter mahnte den Mieter Anfang 1995 ab und drohte eine Räumungsklage an. Sodann unternahm er nichts mehr, obwohl sich die übrigen Eigentümer weiterhin über das Verhalten des Mieters beschwerten.
Der Mieter verstarb Anfang 1997. Nunmehr stellte sich heraus, dass die Wohnung völlig verwahrlost war. Zur Wiederherstellung der Wohnung war ein Kostenaufwand von ca. 67 TDM erforderlich. Diesen Betrag verlangt der Eigentümer vom Zwangsverwalter ersetzt. Das Instanzgericht hat die Klage abgewiesen. Es stehe nicht fest, dass der Schaden infolge der Untätigkeit des Zwangsverwalters eingetreten sei. Der BGH hat das Urteil aufgehoben.
1. Nach § 152 Abs. 1 ZVG hat der Zwangsverwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Hieraus folgt, dass der Zwangsverwalter tätig werden muss, wenn die Wohnung durch das Verhalten des Mieters zu verwahrlosen droht. Eine Abmahnung und Räumungsandrohung reicht in der Regel nicht aus. Vielmehr muss der Zwangsverwalter die Wohnung besichtigen und sodann alle Maßnahmen treffen, die zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Gegebenenfalls muss er Räumungsklage erheben und für eine behördliche Unterbringung des Mieters Sorge tragen, wenn – wie hier – Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung vorliegen.
2. Grundsätzlich muss der Eigentümer beweisen, dass der Schaden infolge der Untätigkeit des Zwangsverwalters eingetreten ist. Allerdings findet in Fällen der vorliegenden Art eine Beweislastumkehr wegen einer Beweisvereitelung statt. Eine Beweisvereitelung liegt unter anderem auch dann vor, wenn der Schädiger eine zum Schutz des Geschädigten bestehende Feststellungspflicht verletzt hat. In diesem Fall muss der Schädiger beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. So lagen die Dinge hier: Hätte der Zwangsverwalter auf das Schreiben des Verwalters der Wohnungseigentumsanlage angemessen reagiert, so stünde fest, in welchem Zustand sich die Wohnung Ende 1994/Anfang 1995 befunden hat. Der Eigentümer hätte dann feststellen können, ob seitdem eine weitere Verschlechterung eingetreten und ob dies vom Zwangsverwalter zu vertreten ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 23.06.2005, IX ZR 419/00, NZM 2005, 700 = WuM 2005, 597 = GE 2005, 1122