1 Leitsatz

Die Wohnungseigentümer haben grundsätzlich ein Ermessen, ob sie eine Erhaltungsmaßnahme durchführen. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Personenaufzug nicht mehr genutzt werden kann.

2 Normenkette

§ 18 WEG

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage ist der Personenaufzug zu reparieren. In seinem jetzigen Zustand kann er nicht gebraucht werden. Ein Antrag von Wohnungseigentümer K aus dem Jahr 2020, die Reparatur durchzuführen, findet keine Mehrheit. Gegen diesen Negativbeschluss geht K im Wege der Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage vor. Das AG weist die Klagen ab. Hiergegen richtet sich die Berufung.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Negativbeschluss sei nicht nichtig. Durch die Entscheidung, den Personenaufzug nicht zu reparieren, werde nicht in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums eingegriffen. Hierin liege zwar eine "faktische Stilllegung" der Aufzugsanlage. Dies führe aber nicht dazu, dass das Sondereigentum des K nicht mehr zu dem von der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Zweck, dem Wohnen, genutzt werden könne oder die Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigt werde, also in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen werde. K könne – wie auch die anderen Wohnungseigentümer – seine Wohnung über das Treppenhaus erreichen. Im Fall gebe es auch keine Gemeinschaft, bei der – wie beispielsweise einer Wohnanlage zum "betreuten Wohnen" – erhöhte Anforderungen an die Barrierefreiheit zum Kernbereich des Wohnungseigentums gehörten. Der Negativbeschluss entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Das Ermessen, den Personenaufzug zu reparieren, sei im Fall nicht auf null reduziert. Die Beschlussersetzungsklage sei bereits unzulässig. Der Klageantrag beziehe sich auf 2 Angebote der X-GmbH, stelle aber nicht klar, welches Angebot in erster Linie beauftragt werden solle, also ob bevorzugt eine Erhaltung oder eine Erneuerung erstrebt werde. Jedenfalls habe K keinen Anspruch auf die Erhaltung des Personenaufzugs.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es vor allem um die Frage, ob ein Ermessen besteht, gemeinschaftliches Eigentum nicht zu reparieren.

Zwingende Erhaltungsmaßnahme

Die Wohnungseigentümer haben ein Ermessen, wann und wie sie einen wesentlichen Gebäudebestandteil erhalten. Im Einzelfall kann dieses auf null reduziert sein. Ein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf sofortige Durchführung einer sachgerechten Erhaltung, wobei die aktuellen Baustandards maßgeblich sind, besteht, wenn allein dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne von § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entspricht. So soll es liegen, wenn bauliche Mängel vorhanden sind, die den zweckentsprechenden Gebrauch bzw. eine solche Nutzung des Sondereigentums erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen. Grundsätzlich müsse sich das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand befinden, dass das Sondereigentum zum vereinbarten Zweck (= Wohnen oder Gewerbe) genutzt bzw. gebraucht werden könne. Beispielsweise massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände müssten weder im Wohnungs- noch im Teileigentum hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten sei. Das gelte auch, wenn es sich um "anfängliche Mängel" handele. Um zu beurteilen, ob es so liegt, muss geklärt werden, wie das gemeinschaftliche Eigentum beschaffen sein muss. Im Fall kann kein Zweifel bestehen, dass eine Reparatur zwingend ist! Das LG irrt also.

Beschlusskompetenz

Bei der Bestimmung, gemeinschaftliches Eigentum nicht mehr zu benutzen, beispielsweise im Fall einen Personenaufzug, handelt es sich jeweils um einen (gegebenenfalls faktischen, zum Beispiel durch eine Nichtreparatur) totalen Gebrauchsentzug, der entgegen dem LG nicht beschlossen werden kann.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Die Verwaltung muss die Wohnungseigentümer namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer informieren, dass eine "Ja"-Stimme zwingend ist, weil es kein Ermessen gibt, eine Erhaltung nicht zu beschließen. Hierauf ist bereits in der Ladung hinzuweisen. Ferner ist in der Versammlung eine entsprechende Aufklärung geboten.

6 Entscheidung

LG Karlsruhe, Urteil v. 1.9.2023, 11 S 167/20

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