Leitsatz
Nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter ist im WEG-Verfahren für die Ermächtigung eines Wohnungseigentümers zur Einberufung einer Eigentümerversammlung zuständig
Normenkette
§§ 21 Abs. 4; 43 Nr. 1 WEG; §§ 37 Abs. 2 BGB, 122 Abs. 3 AktG, 45 Abs. 3 GenG
Das Problem
Ein Wohnungseigentümer möchte vom Amtsgericht ermächtigt werden, eine Versammlung der Eigentümer einzuberufen. Über die Ermächtigung entscheidet ein Rechtspfleger des Amtsgerichts Erding. Gegen diese Entscheidung wenden sich die anderen Wohnungseigentümer im Wege der Beschwerde.
Entscheidung
- Das LG München I verweist die Sache an das Amtsgericht Erding zurück. Nach Ansicht des Landgerichts hat die Sache fälschlicher Weise anstatt des funktionell zuständigen Richters ein Rechtspfleger entschieden. Hierin läge ein zwingender Zurückverweisungsgrund. Gegenstand des Verfahrens sei eine gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage, gerichtet auf Ermächtigung des klagenden Wohnungseigentümers, eine außerordentliche Versammlung mit bestimmten Tagesordnungspunkten einzuberufen. Hierbei handle es sich um ein Verfahren nach § 43 Nr. 1 WEG, für das der Richter funktionell zuständig sei.
- Nachdem die Verfahren in WEG-Sachen der ZPO unterstellt wurden, bestehe für eine Ermächtigung keine Zuständigkeit des Rechtspflegers mehr. Vielmehr handle es sich um ein Klageverfahren. Soweit zum Teil eine Rechtsanalogie zu den §§ 37 Abs. 2 BGB, 122 Abs. 3 Aktiengesetz, 45 Abs. 3 GenG befürwortet werde (Hinweis auf Jennißen/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2010, § 24 Rn. 33), erscheine dies nicht überzeugend. Nachdem WEG-Verfahren seit 2007 Zivilprozessverfahren seien, sei es – abgesehen vom Fehlen einer Gesetzeslücke – auch aus Gründen der Einheitlichkeit der Verfahrensordnung geboten, Anträge der vorliegenden Art als WEG-Verfahren im Zivilprozess zu behandeln. Ein sachlicher Grund, diese Anträge dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen, sei nicht ersichtlich. Insbesondere existiere auch keine Regelungslücke. Denn die Wohnungseigentümer stritten letztlich darüber, ob sich aus einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung (§ 21 WEG) die Notwendigkeit der Bestellung eines Verwalters (§ 26 WEG) und deshalb die Notwendigkeit der Einberufung einer Versammlung (§ 23 WEG) ergäbe. Sei dies der Fall, könne der Kläger mit Erfolg die Zustimmung zur Einberufung einer Versammlung von den Beklagten verlangen, denn die Gesamtheit der Wohnungseigentümer sei zur Einberufung einer Eigentümerversammlung stets befugt.
Kommentar
- Bis zur WEG-Reform ging man fast einhellig davon aus, dass sich ein Wohnungseigentümer durch einen Rechtspfleger des Amtsgerichts ermächtigen lassen kann, eine Versammlung einzuberufen.
- Mit diesem Denken wurde mittlerweile gebrochen. Nach heute h.M. hat jeder Wohnungseigentümer – sofern es eine ordnungsmäßige Verwaltung erfordert – nach § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch auf Einberufung einer Eigentümerversammlung (AG Charlottenburg v. 16.7.2009, 74 C 25/09, GE 2009 S. 1135). Entsprechen die anderen Wohnungseigentümer diesem Anspruch nicht durch Einberufung einer Universalversammlung und finden sich nicht genügend Wohnungseigentümer für das Quorum nach § 24 Abs. 2 WEG, kann daher jeder Wohnungseigentümer auf Mitwirkung an einer gemeinsamen Ladung klagen (Elzer, ZfIR 2011, S. 759, 762; Elzer, AnwZert MietR 17/2011). Nach diesem neuen Denken bedarf es daher nicht mehr einer Analogie zu §§ 37 Abs. 2 BGB, 122 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 45 Abs. 3 GenG.
- Mit der "Verortung" bei § 21 Abs. 4 WEG ist ferner geklärt, dass nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter in einem Verfahren nach § 43 Nr. 1 WEG über die Einberufung entscheidet (OLG Zweibrücken v. 16.9.2010, 3 W 132/10, ZWE 2010 S. 464; AG Hamburg-Blankenese v. 23.7.2008, 539 C 26/09, ZMR 2008 S. 918, 919; B. Müller, IMR 2011, S. 369; Jennißen/Elzer, 3. Aufl. 2012, § 24 Rn. 34).
Was ist für den Verwalter wichtig?
Die im Mittelpunkt des Falls stehende Frage betrifft Verwalter nicht. Verwalter sollten allerdings bei einer von einem Wohnungseigentümer einberufenen Versammlung, auf der sie bestellt werden sollen, darauf achten, ob alle Wohnungseigentümer geladen wurden.
Link zur Entscheidung
LG München I, Beschluss vom 07.05.2013, 36 T 7524/13