Leitsatz

  1. Errichtung von Außenbalkonen als nachteilige, zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung (nach altem Recht)
  2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist bei Glaubhaftmachung, eine Einladung zur Eigentümerversammlung nicht erhalten zu haben
 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 4 WEG a. F.; § 22 Abs. 2 FGG

 

Kommentar

  1. Bei der Errichtung von Außenbalkonen handelt es sich um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG a. F. Insoweit steht der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz zu, eine bauliche Veränderung zu genehmigen (vgl. BayObLG, NZM 2001, 133; OLG Köln, NJW-RR 2001, 1096 = NZM 2001, 293). Verändert werden dadurch jedoch nicht die materiellen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer baulichen Veränderung, die § 22 Abs. 1 WEG dahin umschreibt, dass sie der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer bedarf, die durch die Veränderung über das in § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Von einer solchen Beeinträchtigung ist im Hinblick auf den massiven zusätzlichen Baukörper vorgesetzter Außenbalkonkonstruktionen und der jedenfalls nicht lediglich geringfügigen Verschattungswirkung, die sich für die im EG gelegenen Räumlichkeiten zwangsläufig ergeben, zu bejahen. Derzeit fehlte es an der Zustimmung des beschlussanfechtenden Eigentümers, und zwar unabhängig von der Frage etwaiger Einberufungsmängel und einem daraus ableitbarem Verstoß gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung (Nichtladung des anfechtenden Eigentümers).

    Behaupten andere Eigentümer einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zustimmung, mag ein solcher geltend gemacht werden. Allerdings steht ein solcher Anspruch auch nicht der Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses entgegen (vgl. BGH, NJW 1995, 2791 m.w.N.). Derzeit bestimmt sich der Inhalt des Gemeinschaftsverhältnisses ausschließlich nach § 22 Abs. 1 WEG. Eine Änderung dieses Inhalts tritt nach § 894 ZPO erst mit Rechtskraft eines den Anspruch auf Zustimmung zusprechenden Urteils ein. Ergeht ein solches Urteil, ist die bauliche Veränderung gegenüber dem betreffenden antragstellenden Eigentümer rechtmäßig, ohne dass es dazu eines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümerversammlung bedarf (BGH, NJW 1979, 817).

  2. Ist in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass "für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung die Absendung an die Anschrift genügt, die dem Verwalter vom Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist", schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist nicht aus, wenn es dem Wohnungseigentümer gelingt, glaubhaft zu machen, dass er die Einladung zu der Eigentümerversammlung nicht erhalten hat. Die Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des § 22 Abs. 2 FGG ist nach gefestigter Rechtsprechung auf die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG entsprechend anwendbar. Die Glaubhaftmachung ist dem antragstellenden Eigentümer nach Auffassung des LG zu Recht gelungen.
  3. Damit litten die angefochtenen Beschlüsse an einem Einberufungsmangel, zum einen, weil anstelle des Verwalters ein Eigentümer zur Einberufung der Versammlung nicht berechtigt war, und zum anderen, weil bei Teilnahme des antragstellenden Eigentümers an der Versammlung u.U. andere Beschlussergebnisse erzielt worden wären. Ein Einberufungsmangel führt nämlich nicht automatisch über die Anfechtung zu einer Ungültigkeit gefasster Beschlüsse; diese sind vielmehr als gültig zu erachten, wenn aus Sicht des Gerichts positiv feststeht, dass sie nicht auf dem Einberufungsmangel beruhen (h.M.). Fehlende Kausalität eines Einberufungsmangels kann vom Gericht nur dann festgestellt werden, wenn klar zu Tage liegt, dass ein Beschluss bei ordnungsgemäßer Einberufung der Versammlung gleichfalls zustande gekommen wäre. Die Möglichkeit, dass der durch einen Mangel betroffenen Eigentümer das Beschlussergebnis hätte beeinflussen können, muss nicht nur unwahrscheinlich sein, sondern bei vernünftiger Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen. Abzustellen ist dabei darauf, wie sich Eigentümerentscheidungen entwickelt hätten, wenn der antragstellende Eigentümer bei ordnungsgemäßer Einladung erschienen wäre und die Möglichkeit gehabt hätte, das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Insoweit darf nicht allein auf das mutmaßliche Abstimmungsergebnis bei einer Teilnahme des betreffenden Eigentümers an der Abstimmung abgestellt werden oder darauf, dass der angefochtene Beschluss auf einer späteren Eigentümerversammlung erneut gefasst worden ist (OLG Hamm, WE 1996, 33).
  4. Geht es um eine Verwaltererstbestellung gegen Vergütung, müssen im Regelfall auch hier mehrere Angebote verschiedener Leistungsanbieter vorbereitend eingeholt werden, um die Angemessenheit der Honorarvorstellungen des jeweiligen Leistungsanbieters überprüfen zu können (OLG Hamm, ZMR 2003, 51).

    Anmerkung:

    Ob gegen die versäumte materielle Ausschlussfrist e...

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