Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Zum aufopferungsähnlichen Schadenersatzanspruch nach § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG
Verdienstausfall nach dem Schutzzweck dieser Gesetzesbestimmung als ersetzbarer Schaden jedoch abgelehnt
Normenkette
§ 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG, § 249 BGB, § 252 BGB
Kommentar
1. Im Zuge der Instandsetzungsarbeiten an einem zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Wasserrohr (Heizungsrohr) mussten auch materielle Schäden für Malerarbeiten und einen neuen Teppichboden einem Sondereigentümer ersetzt werden. Der Eigentümer musste hier allerdings auch vorbereitende und nachsorgende Umräumungs- und in der Küche Demontagearbeiten ausführen lassen, die in seiner Wohnung tätigen Handwerker einige Tage überwachen und selbst Reinigungsarbeiten ausführen (und dafür auch Urlaub nehmen). Den weiterhin geltend gemachten Verdienstausfall (für 5 Tage) in Höhe von täglich DM 565,68 lehnten alle 3 Instanzgerichte ab.
2. Als Anspruchsgrundlage konnte wegen des Betretens und der Benutzung von Sondereigentum zur Instandsetzung von Gemeinschaftseigentum nur § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG in Betracht kommen; hierbei handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch aus aufopferungsähnlichen Grundgedanken, die auch der Regelung über den Notstand in § 904 Satz 2 BGB zugrunde liegen (h.M.; vgl. auch Lüke, WE 97, 370). Einem beeinträchtigten Eigentümer dürfen hier keine unmittelbaren finanziellen Nachteile aus der Durchführung solcher Arbeiten am Gemeinschaftseigentum zur Last fallen. Nach § 252 BGB ist in solchen Fällen auch ein entgangener Gewinn zu ersetzen, wie z.B. ein Mietausfall. Auch ein Verdienstausfall kann grundsätzlich zu einem auszugleichenden Schaden gehören.
3. Ob überhaupt und ggf. in welcher Höhe durch einen Verdienstausfall ein Schaden zu erstatten ist, kann jedoch nicht allein nach der Differenzmethode entschieden werden; es sind vielmehr bei der Würdigung des Schadens auch normative, wertende Gesichtspunkte zu berücksichtigen, deren Grundlage aus dem Schutzzweck der Norm gewonnen werden kann. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn ein Geschädigter eigene Arbeiten erbringt, um Schadensfolgen zu beseitigen. Deren Wert ist grundsätzlich zu erstatten, sofern die erbrachte Arbeitsleistung nach der Verkehrsanschauung einen Marktwert hat und für Aufwendungen erbracht wird, die ein wirtschaftlich denkender Mensch bei einer Betrachtung ex ante für erforderlich halten dürfte. Der Verlust von Freizeit wird dabei grundsätzlich nicht als ein Vermögensschaden angesehen.
Der Schutzzweck des § 14 Nr. 4 WEG ist vor allem darin zu sehen, die Unverletzlichkeit des Sondereigentums in seinem tatsächlichen Bestand sowie die Möglichkeit zu schützen, dieses durch Fremd- oder Eigennutzung zu gebrauchen. Dabei gebietet dieser Schutzzweck jedoch nicht, Ersatz für jede - auch nur geringfügige - Beeinträchtigung zu leisten (vgl. Senat, WE 98, 377); denn nach § 14 Nr. 1 WEG besteht zwischen den Wohnungseigentümern ein besonderes Schutz- und Treueverhältnis, welches auch zur Bestimmung des Schutzzwecks des § 14 Nr. 4 WEG herangezogen werden kann.
4. Als ungewöhnliche und deshalb zu Schadenersatzforderungen berechtigende Reaktion eines Geschädigten ist es jedoch nicht anzusehen, wenn er unbezahlten Urlaub nimmt, um Handwerker in seiner Wohnung zu beaufsichtigen und Arbeiten auszuführen, die er auch in seiner Freizeit erledigen kann; denn solange es möglich und zumutbar ist, auf andere, billigere Weise Vorsorge zum Schutz des Eigentums und zur Vor- und Nachbereitung der Handwerksarbeiten zu treffen, ist die Inanspruchnahme unbezahlten Urlaubs eine ungewöhnliche Reaktion auf die Verpflichtung, die Arbeiten zu dulden. Ein Geschädigter hätte hier auch - statt unbezahlten Urlaub zu nehmen - Nachbarschaftshilfe aus der Gemeinschaft oder Freundeshilfe in Anspruch nehmen müssen und können. Hinsichtlich der Beaufsichtigung von Handwerkern wäre es auch nahegelegen, mit der Verwaltung eine Regelung zur Überwachung der Arbeiten zu finden. Umräumungs- und Reinigungsarbeiten in der Wohnung hätte der Geschädigte in zumutbarer Weise auch in seiner Freizeit ausführen können, ohne dafür unbezahlten Urlaub nehmen und so einen Verdienstausfall erleiden zu müssen.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 28.07.1999, 24 W 9125/97, NZM 6/2000, 284)
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