Leitsatz

Finanziert ein Steuerberater einem bei ihm beschäftigten Mitarbeiter eine Ausbildung zum Steuerberater ausschließlich im Hinblick auf eine nach dem bestandenen Steuerberaterexamen geplante spätere Sozietät, kann der Steuerberater einen Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten haben, wenn der Mitarbeiter nach Abschluss der Ausbildung eine eigene Steuerberaterpraxis eröffnet.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten vertraglich vereinbart, ein Steuerberatungsbüro gemeinsam zu betreiben. Die als Bürovorsteherin angestellte Beklagte sollte ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Sie unterlag einem mit einer Vertragsstrafe bewehrten Wettbewerbsverbot. Dem Kläger oblag "die fachliche Unterstützung der Praxis durch seine persönliche Beratung und Mitarbeit". In einer weiteren Vereinbarung der Parteien heißt es, der "als Anlage beigefügte" vorbezeichnete Vertrag solle automatisch mit der Zulassung der Beklagten als Steuerbevollmächtigte oder Steuerberaterin wirksam werden. In der Folgezeit machte die Beklagte eine Ausbildung zur Steuerberaterin. Der Kläger trug die Kosten dieser Ausbildung und stellte die Beklagte im erforderlichen Umfang von der Arbeit frei. Die Beklagte kündigte nach bestandenem Examen und eröffnete ein eigenes Steuerberatungsbüro. Der BGH erkannte eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den entstandenen Aufwand zu ersetzen, grundsätzlich an. Zur weiteren Sachaufklärung verwies das Gericht die Sache zurück.

 

Entscheidung

Der Senat verneint zunächst jegliche Ansprüche auf arbeitsvertraglicher Grundlage. Die Beklagte war insbesondere berechtigt, den Arbeitsvertrag jederzeit zu kündigen. Der Gesellschaftsvertrag und die Zusatzvereinbarung haben dieses Recht nicht eingeschränkt. Der BGH sieht eine Anspruchsgrundlage indes in einer möglichen ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten[1]. Danach ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe verpflichtet, wenn der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Der "Zweck" darf dabei einerseits nicht Gegenstand der vertraglichen Bindung oder Bedingung eines Rechtsgeschäfts sein. Andererseits darf er auch kein bloßer Beweggrund oder eine einseitige Erwartung des Leistenden geblieben sein. Ausreichend ist vielmehr eine – auch konkludent mögliche – Einigung im Sinne der tatsächlichen Willensübereinstimmung zwischen beiden Partnern über den verfolgten Zweck[2].

Diese Voraussetzung sah der BGH als erfüllt an. Denn der Kläger hatte die Beklagte nicht nur für die Dauer der Lehrgänge im Rahmen der Steuerberaterausbildung von der Arbeitspflicht freigestellt, sondern auch die Lehrgangs-, Unterkunfts-, Verpflegungs- und Fahrtkosten getragen. Zu diesen Leistungen war der Kläger weder aufgrund des Arbeitsvertrags der Parteien noch aufgrund des Gesellschaftsvertrags bzw. der Zusatzvereinbarung verpflichtet. Die Beklagte hat durch die Annahme der Leistungen des Klägers im Rahmen der Ausbildung ihrerseits zu erkennen gegeben, dass sie die Zweckbestimmung des Klägers billigte. Auch das ergibt sich aus dem vorangegangenen Abschluss des Gesellschaftsvertrags und der Zusatzvereinbarung. Damit war für den Kläger die Erwartung begründet worden, die Beklagte erstrebe die Qualifizierung zur Steuerberaterin gerade deshalb, um das gemeinsam aufgebaute Steuerberatungsbüro künftig als Gesellschafterin mit ihm weiter betreiben zu können. Da dieser Leistungszweck nicht erfüllt wurde, ist eine ungerechtfertigte Bereicherung dem Grunde nach gegeben. Die genaue Höhe des Zahlungsanspruchs muss im Streitfall noch ermittelt werden.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 10.11.2003, II ZR 250/01

[2] Ausführlich BGH-Urteil vom 19.1.1973, V ZR 24/71, NJW 1973, S. 612

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