Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 27 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 WEG, § 177 Abs. 1 BGB, § 421 BGB, § 670 BGB, § 683 BGB, § 812 BGB, § 951 BGB
Kommentar
1. Wird ein Verwalter anlässlich eigenmächtiger Überziehung des gemeinschaftlichen Kontos (Kreditaufnahme) von der Bank auf Zahlung in Anspruch genommen und erfüllt er diese Forderung, so hat er gegen die einzelnen Eigentümer einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen (wenn er nachweisbar darlegen kann, dass Verpflichtungen, die über den Kredit beglichen wurden, letztlich die Eigentümergemeinschaft trafen, d.h. deren Interesse sowie deren wirklichem oder mutmaßlichem Willen entsprachen) nach § 683 BGB i.V.m. § 670 BGB. Für einen solchen Anspruch haften dann allerdings nur diejenigen Eigentümer, die im Zeitpunkt der Eingehung der entsprechenden Verbindlichkeiten Wohnungseigentümer waren, diese jedoch gesamtschuldnerisch ( §§ 421ff. BGB). Auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 951 BGB bzw. § 812 BGB können insoweit in Betracht kommen. Für eine etwaige Bereicherung haften allerdings die Wohnungseigentümer nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur in Höhe ihres Miteigentumsanteils am Gemeinschaftseigentum (BGHZ 67, 232 = NJW 77, 44).
Da hier noch zu klären ist, welche Verbindlichkeiten der Verwalter mit dem Überziehungskredit getätigt hat, war die Sache unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.
2. Tätigt darüber hinaus ein Verwalter Ausgaben für Anschaffungen oder Reparaturen im Rahmen eines genehmigten Wirtschaftsplanes und dort vorgesehener Geldmittel, handelt er bei Eingehung solcher Verbindlichkeiten in entsprechender Vertretungsmacht nach § 27 Abs. 1 Nr. 2, ggf. auch Nr. 3 bzw. Abs. 2 WEG. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinschaft als selbstverständlich davon ausging, der Verwalter würde die entsprechenden Ausgaben vornehmen. Waren allerdings Ausgaben nach Wirtschaftsplan nicht vorgesehen, genehmigte die Gemeinschaft dann aber später die Jahresabrechnung mit Ausweisung dieser Ausgaben, kann hierin eine nachträgliche Genehmigung der Ausgabentätigkeit des Verwalters liegen.
3. Zur Vertretungsmacht wurde insoweit auf die Entscheidung BGHZ 67, 232 verwiesen (Abgrenzung zwischen laufenden Verwaltungsmaßnahmen und solchen außergewöhnlicher Art). Danach beurteilt sich dann auch die Frage, ob ein Verwalter mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Zum Abschluss von Kontenüberziehungskreditverträgen ist ein Verwalter grundsätzlich nicht berechtigt; auch vorliegend gab es keinen entsprechenden Eigentümerbeschluss. Der Kreditvertrag war damit zunächst einmal schwebend unwirksam ( § 177 Abs. 1 BGB); er wurde auch von der Gemeinschaft weder ausdrücklich noch konkludent genehmigt. Damit konnte die Bank nach ihrer Wahl Erfüllung oder Schadenersatz fordern (BGH, NJW-RR 93, 1227). Die durch Kontenüberziehung angefallenen Kosten und Zinsen hat der Verwalter auf jeden Fall selbst zu tragen.
4. Sieht ein genehmigter Wirtschaftsplan für bestimmte Anschaffungen entsprechende Geldbeträge vor, kann sich auch daraus eine Vertretungsbefugnis für den Verwalter ergeben. Konnten Eigentümer auch ohne Wirtschaftsplangenehmigung solche Ausgaben vom Verwalter erwarten (z.B. für Heizöl, Strom für die Beleuchtung von Gemeinschaftsanlagen), kann von stillschweigender Ermächtigung der Gemeinschaft zum Abschluss entsprechender Lieferverträge durch den Verwalter ausgegangen werden (vgl. auch Belz, Rn. 253). Auch über nachträgliche Wirtschaftsplangenehmigung und genehmigte Abrechnungen kann sich eine nachträgliche Genehmigung des berechtigten Verwalterhandelns für die Gemeinschaft in deren Vertretung ergeben.
5. Zurückverweisung zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bei Festsetzung des Gegenstandswertes des Rechtsbeschwerdeverfahrens von DM 249.263,55.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.1997, 15 W 197/96)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
[Die auch hier vom OLG Hamm kurz bestätigte so genannte Haftungsverbandsrechtsprechung (des KG Berlin) überzeugt mich aus wohnungseigentumsrechtsdogmatischen Gründen nach wie vor nicht, ebenso wie die ausgesprochene nur anteilige Eigentümerhaftung bei Bereicherungsansprüchen.]