OFD Frankfurt, Verfügung v. 16.9.2015, S 0202 A - 1 - St 23
Auch ohne eine formelle Abtretung oder Verpfändung nach § 46 AO ist eine Auszahlung von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen an Dritte möglich.
1. Zahlungsanweisung
1.1. Allgemeines
Mit einer Zahlungsanweisung, für die die Vorschriften der §§ 783 ff. BGB gelten, kann ein Erstattungsberechtigter (Stpfl.) seinen Schuldner (Finanzamt) veranlassen, den ihm zustehenden Erstattungsbetrag an einen Dritten auszuzahlen. Durch die Zahlungsanweisung wird der Anweisungsempfänger (Dritter) ermächtigt, die Leistung beim Angewiesenen (Finanzamt) im eigenen Namen zu erheben, und das Finanzamt wird ermächtigt, an den Empfänger für Rechnung des Anweisenden (Stpfl.) zu leisten.
Eine Zahlungsanweisung wird erst wirksam, wenn sie durch das Finanzamt angenommen wird. In der Praxis erfolgt die Annahme in der Regel konkludent durch Auszahlung an den Dritten. Lediglich bei beabsichtigter Nichtannahme ist dies dem Anweisenden mitzuteilen.
Von einer Speicherung der Bankverbindung des Anweisungsempfängers (Dritter) in GINSTER ist abzusehen, da diese nur für den bezeichneten Erstattungsanspruch gilt.
1.2. Form
Anders als bei der Abtretung sind für die Zahlungsanweisung keine besonderen Formvorschriften zu beachten. Es genügt, wenn der Steuerpflichtige schriftlich erklärt, dass der Erstattungsbetrag an den Anweisungsempfänger ausgezahlt werden soll; die Anweisung kann auch in der Steuererklärung vorgenommen werden.
Resultiert der Erstattungsbetrag aus einer Einkommensteuer-Zusammenveranlagung ist die Zahlungsanweisung von beiden Ehegatten/Lebenspartnern zu unterschreiben. Liegt eine nur von einem Ehegatten/Lebenspartner erteilte Zahlungsanweisung vor, ist der Erstattungsbetrag nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 14.1.2015 aufzuteilen (vgl. ofix: AO/37/2). Dem Anweisungsempfänger (Dritter) ist nur der Erstattungsbetrag auszuzahlen, der auf den die Zahlungsanweisung erteilenden Ehegatten/Lebenspartner entfällt.
Eine unwirksame Abtretung kann nicht in eine Zahlungsanweisung des Steuerpflichtigen zugunsten des Dritten umgedeutet werden.
1.3. Widerruf
Solange das Finanzamt die Anweisung nicht angenommen und die Zahlung noch nicht geleistet hat, kann der Steuerpflichtige die Anweisung selbst dann widerrufen, wenn er im Innenverhältnis eine entgegenstehende Verpflichtung eingegangen ist (§ 790 BGB). Für den Angewiesenen (Finanzamt) entsteht ein Leistungszwang (erst) durch die Annahme der Anweisung (§ 784 BGB).
1.4. Keine Vorrangstellung
Eine Zahlungsanweisung räumt dem Anweisungsempfänger keine Vorrangstellung gegenüber etwaigen anderen Gläubigern ein. Abtretungen, Verpfändungen oder Pfändungen nach § 46 AO gehen ebenso wie Aufrechnungen des Finanzamtes mit eigenen Forderungen einer Zahlungsanweisung vor.
1.5. Keine Verpflichtung des Finanzamts zur Annahme einer Zahlungsanweisung
Das Finanzamt ist nicht zur Annahme der Zahlungsanweisung verpflichtet, weder der Steuerpflichtige noch der Anweisungsempfänger haben darauf einen Rechtsanspruch. Es steht vielmehr im Ermessen des Finanzamtes, ob es eine Zahlungsanweisung annimmt (vgl. AEAO zu § 80 Nr. 2).
So braucht das Finanzamt eine Zahlungsanweisung nicht anzunehmen, wenn ihre Ausführung mit erheblicher Mehrarbeit oder Kosten verbunden ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Auslandsüberweisung an einen Empfänger außerhalb des SEPA-Raums (der SEPA-Raum umfasst die EU-Mitgliedstaaten, Norwegen, Island und Liechtenstein, die Schweiz, San Marino und Monaco) erforderlich wäre oder Teilbeträge an verschiedene Empfänger überwiesen werden sollen.
Auch ist der Regelungsgehalt des § 46 AO im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass durch die Zahlungsanweisung das Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs von Steuererstattungen nach § 46 Abs. 4 AO oder der Schutzzweck des § 46 Abs. 2 und 3 AO umgangen werden soll, ist an den Steuerpflichtigen selbst zu zahlen. Hiervon ist insbesondere in den Fällen auszugehen, in denen unerfahrene Lohnsteuerpflichtige ihre Erstattungsansprüche, deren tatsächliche Höhe sie meist nicht kennen, zu unangemessenen Bedingungen gegen Erteilung einer Zahlungsanweisung vorfinanzieren.
Ansonsten steht der Annahme einer Zahlungsanweisung in der Regel nichts entgegen. Insbesondere in folgenden Beispielsfällen sollte diese nicht verweigert werden:
- Der Erstattungsbetrag wird auf das Bankkonto Familienangehöriger oder des Lebenspartners angewiesen.
- Der Erstattungsbetrag einer Personengesellschaft wird auf das Bankkonto ihrer Gesellschafter (oder umgekehrt) angewiesen.
- Ein Exporteur beantragt, seinen Vorsteuerabzug an seinen Lieferanten auszuzahlen.
In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Erstattungsbetrag ohne Umweg und ohne größere Formalitäten einem Zweck zugeführt werden soll, den der Steuerpflichtige für die Zahlung ohnehin vorgesehen hat.
Zahlungsanweisungen die durch ausländische Arbeitnehmer aufgrund einer Nettolohnvereinbarung zugunsten ihrer Arbeitgeber erteilt ...