Leitsatz
Die Interessen des unterhaltsverpflichteten Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, treten hinter den Unterhaltsinteressen minderjähriger Kinder grundsätzlich zurück. Dies gilt dann nicht, wenn der Unterhaltsverpflichtete erstmals eine Berufsausbildung erlangen will.
Sachverhalt
Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute und stritten sich um den Kindesunterhalt für die drei minderjährigen aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, die am 8.11.1995 geborenen Zwillinge und die am 26.10.1997 geborene Tochter. Nach der Trennung der Eltern lebten alle drei Kinder zunächst bei der Mutter, bevor sie im Januar 2004 in den Haushalt ihres Vaters wechselten, wo sie seither leben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder wurde bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge ihm übertragen. Er nahm für alle drei Kinder Leistungen nach dem UVG i.H.v. monatlich 164,00 EUR je Kind in Anspruch. Auf die Behörde übergegangene Ansprüche sind an ihn rückabgetreten worden.
Die Beklagte ist gebürtige Portugiesin ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Während der im Jahre 1995 geschlossenen Ehe ist sie nur zeitweise und teilschichtig als Kellnerin tätig gewesen. Zuvor war sie verschiedenen Tätigkeiten als Servicekraft, als Verkäuferin und Kassiererin nachgegangen. Nach der Trennung im April 2003 war sie zunächst auf geringfügiger Basis als Aushilfe in einem Bistro beschäftigt. Seit dem 1.9.2004 absolviert sie eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau. Die ihr gezahlte Ausbildungsvergütung betrug bis zum 30.4.2005 monatlich 500,00 EUR brutto, seit dem 1.5.2005 erhält sie monatlich 530,00 EUR brutto.
Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte für die Zeit ab März 2004 auf Kindesunterhalt in Höhe von je 241,00 EUR pro Kind in Anspruch. Die Beklagte hat sich auf fehlende Leistungsfähigkeit berufen und ihren Klageabweisungsantrag unter anderem damit begründet, sie habe sich von Mai bis Juli 2004 intensiv aber erfolglos um eine Anstellung bemüht. Nach Aufnahme ihrer Ausbildung sei ihr eine Nebentätigkeit dagegen weder zeitlich möglich noch erlaubt, da hierdurch das Ausbildungsziel gefährdet würde.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage teilweise stattgegeben und für den Zeitraum von April bis August 2004 Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich je 120,00 EUR pro Kind ausgeurteilt. In seiner Berechnung hat das erstinstanzliche Gericht ein fiktives Einkommen von monatlich 1.200,00 EUR aufseiten der Beklagten angesetzt. Für die Zeit ab September 2004 ist es von ihrer Leistungsunfähigkeit ausgegangen. Dies mit der Begründung, die Aufnahme einer Ausbildung sei ungeachtet der fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung der Beklagten gegenüber den Kindern nicht zu beanstanden, da es sich hierbei um eine Erstausbildung handele, die letztendlich auch der dauerhaften Sicherung des Kindesunterhalts diene.
Beide Parteien haben gegen das erstinstanzliche Urteil Rechtsmittel eingelegt. Der Kläger verlangt in der Berufungsinstanz nur noch Zahlung des Differenzbetrages zwischen den gewährten Leistungen nach dem UVG von monatlich 164,00 EUR je Kind und dem Tabellenbetrag der Altersstufe 2, Einkommensgruppe 2 in Höhe von monatlich 241,00 EUR. Die eingeschränkte Antragstellung ist darauf zurückzuführen, dass die Stadt M. keine Zustimmung zur Durchführung des Berufungsverfahrens erteilt hat.
Die Beklagte verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg, das Rechtsmittel des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidung
Bei unstreitigem Bestehen der Unterhaltsverpflichtung dem Grunde nach gegenüber den minderjährigen Töchtern war streitig in der Berufungsinstanz allein die Höhe des zu leistenden Kindesunterhalts. Eine nähere Darlegung des Bedarfs der Kinder bedurfte es nicht, nachdem der Kläger lediglich des Mindestunterhalt nach Anrechung der bezogenen Leistungen nach dem UVG verlangte. Vielmehr ist es Sache der Unterhaltsverpflichteten, ihre fehlende bzw. eingeschränkte Leistungsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen.
Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch sein tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit. Kommt er seiner Erwerbsobliegenheit - zumal bei gesteigerter Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB - unterhaltsrechtlich vorwerfbar nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen erzielen könnte, dass er bei gutem Willen und gebotener Anstrengung erzielen könnte.
Den bezifferten Anträgen war zunächst mit Schriftsatz vom 15.3.2004 ein Auskunftsverlangen vorgeschaltet worden. Die von dem Kläger geforderte Zurechnung fiktiver Einkünfte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit wäre nach Auffassung des Berufungsgerichts frühestens ab September 2004 in Betracht gekommen unter Zubilligung einer angemessenen Orientierungs- und Bewerbungsfrist von 5 - 6 Monaten ab Zugang des Auskunftsverlangens. Ab September 2004 jedoch scheidet...