1 Leitsatz
Bedarf es einer erstmaligen ordnungsmäßigen Herstellung einer Mehrhausanlage, kann nicht nach § 16 Abs. 4 WEG beschlossen werden, dass diese Herstellung nur einige der Wohnungseigentümer bezahlen müssen.
2 Normenkette
WEG § 16 Abs. 4, § 21 Abs. 4
3 Sachverhalt
Ein in Wohnungseigentum aufgeteiltes Grundstück ist mit 3 Wohnhäusern bebaut (bezeichnet mit A, B und C), mit einem Wohn- und Geschäftshaus (bezeichnet mit D) und einer Tiefgarage. Die Häuser A, B und D sowie die Tiefgarage sind neu errichtet worden, während das Haus C ein Altbau ist, der aus kleinen Wohnungen besteht. Diese Wohnungen sind als Studentenwohnungen konzipiert. Die Außenmauer des Hauses C ist durch einen Fehler des Bauträgers mangelhaft. Die Wohnungseigentümer beschließen, dass dieser Mangel allein von den Wohnungseigentümern bezahlt werden soll, deren Sondereigentum im Haus C liegt. Dagegen geht Wohnungseigentümer K vor. Die beklagten Wohnungseigentümer verweisen auf die Gemeinschaftsordnung. Nach dieser haben die Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum in einem der Häuser liegt, "laufende Lasten und spätere Instandsetzungsmaßnahmen" des Hauses zu bezahlen.
4 Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! Soweit die Beklagten auf die Gemeinschaftsordnung verweisen würden, übersähen sie, dass die dortige Regelung nicht auf die Kosten der erstmaligen plangerechten und mangelfreien Herstellung abstelle. Der Beschluss könne aber auch nicht auf die Bestimmung des § 16 Abs. 4 WEG gestützt werden. Zu einer ordnungsmäßigen Instandsetzung gehöre zwar auch die erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustandes. Hierunter falle auch die erstmalige plangerechte oder mangelfreie Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums (u. a. BGH, Urteil v. 9.12.2016, V ZR 84/16 Rz. 13; Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, § 21 Rz. 78). Es entspreche aber keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, den Wohnungseigentümern des Hauses C die Kosten aufzuerlegen. Die erstmalige plangerechte oder mangelfreie Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums müsse von allen Wohnungseigentümern getragen werden. Der Gesetzgeber habe zwar Regeln für eine variablere und möglicherweise auch gerechtere Kostenverteilung geschaffen, habe aber "allgemeine Risiken" nicht einem Einzelnen zuordnen wollen (Jennißen in Jennißen, WEG, 6. Auflage, § 16 Rz. 66).
Hinweis
Der Fall geht zum einen der Frage nach, was gilt, wenn der Bauträger die Wohnungseigentumsanlage – bezogen auf das (spätere) gemeinschaftliche Eigentum – mangelhaft errichtet bzw. errichten lassen hat. In diesem Fall haben die Wohnungseigentümer gegen den Bauträger gerichtete Mängelrechte. Die Wohnungseigentümer sind aber auch gegenseitig verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum so herzustellen, wie es "richtig" wäre. Was "richtig" ist, lässt sich nicht leicht beantworten. Denn in der Regel wird es kein Bau-Soll geben, das die Wohnungseigentümer untereinander als verbindlich bestimmt haben. Zwar mag es sein, dass alle Wohnungseigentümer als Besteller vom Bauträger mit diesem ein identisches Bau-Soll vereinbart haben. Wohnungseigentumsrechtlich fragt sich aber, ob diese individuellen Vereinbarungen unter den Wohnungseigentümern verbindlich sind. Wie ist es etwa, wenn der Bauträger einem Wohnungseigentümer eine Außenjalousie versprochen hat: kann dann dieser Wohnungseigentümer von den anderen Wohnungseigentümern verlangen, dass diese Außenjalousie, fehlt sie, nachträglich angebracht wird? Das LG scheint jedenfalls zu meinen, dass mangelfreie Mauern zum erwarteten Bauzustand gehören.
Dem würde der BGH zustimmen – wenn der Mauermangel das "Wohnen" beeinträchtigt. Ist nach § 1 Abs. 2, § 15 Abs. 1 WEG nämlich vereinbart, dass Räume dem Wohnen dienen sollen, muss nach h. M. ein "Wohnen" auch möglich sein. Und ist nach § 1 Abs. 3, § 15 Abs. 1 WEG vereinbart, dass Räume nicht zu Wohnzwecken dienen sollen, muss nach h. M. ein Gewerbe möglich sein. Geht man davon aus, dass im Fall der Soll-Zustand herzustellen ist, fragt sich, wer, wenn nicht der Bauträger, die Kosten dafür trägt. Dies könnte eine Vereinbarung bestimmen. Im Fall beriefen sich die Wohnungseigentümer auf eine solche. Nach h. M. kommt es auf diese aber gerade nicht an, da ein vereinbarter Umlageschlüssel erst greift, wenn das gemeinschaftliche Eigentum erstmalig ordnungsmäßig hergestellt worden ist.
Was bleibt, ist die Frage, ob man denn eben nach § 16 Abs. 4 WEG bestimmen kann, wer die Kosten zu tragen hat? Diese Frage stellte sich schon sehr früh nach Inkrafttreten der WEG-Reform 2007. Der BGH beantwortete sie dahin, dass man einen solchen Beschluss nur für Bauteile ordnungsmäßig fassen kann, bei denen sich der gewählte Umlageschlüssel nicht wiederholen kann. Anders als das LG war er also der Meinung, dass eine Beschlusskompetenz besteht, ein entsprechender Beschluss aber nicht ordnungsmäßig ist.
5 Link zur Entscheidung
LG Dresden, Urteil v. 21.6.2019, 2 S 575/18