Leitsatz
a) Die für die Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnräumen geltenden Bestimmungen der §§ 577, 577a BGB finden auch auf die Realteilung eines mit zu Wohnzwecken vermieteten Zweifamilienhäusern bebauten Grundstücks entsprechende Anwendung (Fortführung von BGH, Urteil v. 28.5.2008, VIII ZR 126/07, NZM 2008 S. 569).
b) Eine analoge Anwendung der Kündigungssperrfrist des § 577a BGB auf eine auf § 573a BGB gestützte Kündigung kommt mangels Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB §§ 573a, 577a
Kommentar
Die Entscheidung betrifft eine Wohnanlage, die in den 1950er Jahren als Reihenhauswohnblock auf einem ungeteilten Grundstück errichtet wurde. In jedem Reihenhaus befinden sich zwei Wohnungen, die in der Folgezeit vermietet wurden. Im Jahr 2003 erfolgte die Realteilung des Grundstücks in einzelne, jeweils mit einem Reihenhaus bebaute Grundstücke. Eines der Reihenhäuser wurde im Jahr 2007 veräußert. Zu diesem Zeitpunkt war eine der Wohnungen dieses Reihenhauses vermietet; die andere Wohnung stand leer. Der Erwerber bezog die leer stehende Wohnung und kündigte sodann das bestehende Mietverhältnis nach § 573a BGB. Der BGH hatte über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden.
Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von ihm selbst bewohnten Gebäude "mit nicht mehr als zwei Wohnungen" kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses i. S. d. § 573 BGB bedarf (§ 573a Abs. 1 BGB). Dieses Kündigungsrecht besteht auch dann, wenn der Vermieter erst nach Abschluss des Mietvertrags in das Haus einzieht (Blank in: Schmidt-Futterer, § 573a BGB Rdn. 18 m. w. N.). Hier war das Reihenhaus Teil eines aus mehreren Reihenhäusern bestehenden Blocks. In solchen Fällen kann fraglich sein, ob unter dem Begriff des "Gebäudes" das einzelne Reihenhaus oder der Reihenhausblock zu verstehen ist. Nach Ansicht des BGH ist die Verkehrsauffassung maßgeblich. Danach werden Reihenhäuser oder Doppelhaushälften als selbstständige Gebäude angesehen. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 573a BGB liegen damit vor.
Eine andere Frage ist es, ob die Kündigung nach § 573a BGB aufgrund des § 577a BGB ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift kann sich der Erwerber einer umgewandelten Eigentumswohnung für eine bestimmte Zeit "auf berechtigte Interessen i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 BGB" nicht berufen. Hierzu hat der BGH bereits mit Urteil vom 28.5.2008 (VIII ZR 126/07, NZM 2008 S. 569 = NJW 2008 S. 2257) entschieden, dass die Kündigungssperre gem. § 577a BGB entsprechend gilt, wenn ein Gesamtgrundstück mit mehreren Reihenhäusern im Wege der Realteilung in einzelne selbstständige Grundstücke aufgeteilt wird und die einzelnen Häuser sodann veräußert werden.
Allerdings ist nach § 577a Abs. 1 BGB lediglich die Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und wegen anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) ausgeschlossen. Hier hat der Erwerber jedoch nicht nach diesen Vorschriften, sondern nach § 573a BGB gekündigt. In der Literatur wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass die Kündigungssperre für alle Fälle der Eigennutzung gilt (Blank in: Schmidt-Futterer, § 577a BGB Rdn. 18). Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Er hat bereits mit Urteil vom 11.3.2009 (VIII ZR 127/08, NJW 2009 S. 1808 betr. eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB wegen des Wohnbedarfs für eine Hausangestellte) entschieden, dass der Gesetzgeber die Kündigungssperre bewusst auf die Fälle der Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung beschränkt hat. Eine planwidrige Gesetzeslücke bestehe nicht; für eine analoge Anwendung des § 577a BGB ist deshalb kein Raum.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 23.6.2010, VIII ZR 325/09, WuM 2010 S. 513