Leitsatz

Das OLG Düsseldorf hat sich in einem Aufklärungsbeschluss mit der im Hinblick auf die neue Gesetzeslage ab 1.1.2008 aktuellen Frage der Erwerbsobliegenheit bei Kinderbetreuung im Rahmen des § 1570 BGB auseinandergesetzt und die Auffassung vertreten, vor Erreichen des Kindesalters von 14 Jahren könne eine Ganztagstätigkeit von dem betreuenden Elternteil nicht erwartet werden.

 

Sachverhalt

Die geschiedene Ehefrau betreute die gemeinsame 11-jährige Tochter der Parteien, die gerade von der Grundschule zum Gymnasium gewechselt hatte. Sie selbst erzielte aus ihrer Tätigkeit, die sie fünf Stunden täglich ausübte, Nettoeinkünfte von 1.332,65 EUR. Der geschiedene Ehemann und Kläger vertrat die Auffassung, ihr seien im Hinblick auf die zum 1.1.2008 eingetretene Änderung des § 1570 BGB weitere Erwerbseinkünfte zuzurechnen.

Durch Urteil vom 1.3.2007 war er verurteilt worden, an die Beklagte nachehelichen Betreuungsunterhalt zu zahlen. Seiner Abänderungsklage hatte das AG nur teilweise stattgegeben. Mit seiner Berufung trug er u.a. vor, die gemeinsame Tochter besuche die 5. Klasse eines Gymnasiums und sei inzwischen 10 Jahre alt. Im Hinblick auf das neue Unterhaltsrecht müsse die Beklagte nun einer Ganztagstätigkeit nachgehen.

Auf den Hinweisbeschluss des OLG vom 16.10.2008 hat der Kläger seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgenommen.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat in seinem Hinweisbeschluss die Auffassung, der Kläger sei weiterhin verpflichtet, der Beklagten zumindest in der vom AG nunmehr ermittelten Höhe Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB zu leisten, der zurzeit weder herabzusetzen noch zu befristen sei.

Den Bedarf der Beklagten setzte das OLG mit 2.185,00 EUR an. Diesen ehelichen Bedarf könne sie lediglich zum Teil durch ihre eigenen Erwerbseinkünfte i.H.v. 1.332,65 EUR decken. Weitere Erwerbseinkünfte seien ihr entgegen der Auffassung des Klägers nicht zuzurechnen. Er könne sich insoweit nicht erfolgreich auf die zum 1.1.2008 eingetretene Änderung des § 1570 BGB stützen.

Der Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung sei durch das am 1.1.2008 in Kraft getretene neue Unterhaltsrecht deutlich betont worden, während die nacheheliche Solidarität als das Unterhaltsrecht bestimmender Faktor deutlich zurückgedrängt worden sei. Anders als bisher enthalte § 1570 BGB keinen einheitlichen Unterhaltsanspruch mehr für einen ehemaligen Ehegatten, der wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sein könne, sondern differenziere zwischen verschiedenen Altersstufen und Situationen.

Der Gesetzgeber habe es dabei vermieden, eine Altersgrenze festzulegen, ab der von einem Elternteil eine vollschichtige oder teilweise Erwerbstätigkeit erwartet werden könne. Dennoch müssten die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse der Kinder in bestimmten Altersphasen berücksichtigt werden (vgl. OLG München, Urt. v. 4.6.2008 - 12 UF 1125/07).

Die Beklagte habe vorliegend ausführlich und detailliert dargelegt, dass es ihr aus kindbezogenen Gründen nicht möglich und zumutbar sei, ihre Arbeitstätigkeit in dem vom Kläger verlangten Rahmen auszuweiten. Ihre Erwägungen hierzu seien insgesamt überzeugend.

Ihre übliche Arbeitszeit belaufe sich auf fünf Stunden täglich. Daneben leiste sie Überstunden, die sie benötige, um sich ein Zeitguthabenkonto für den Fall der Erkrankung oder unterrichtsfreier Zeiten ihrer Tochter zu erarbeiten. Die Möglichkeit der Betreuung durch Verwandte oder insbesondere durch den Kläger bestehe nicht, da zwischen Vater und Tochter seit mehr als 2 1/2 Jahren kein Kontakt mehr bestehe. Sie sei daher für die Dauer ihrer Arbeitstätigkeit auf Fremdbetreuung angewiesen, die sich seit Beginn des Schuljahres 2008/2009 schwieriger als zu Zeiten des Grundschulbesuches gestalte. Die Fremdbetreuung sei nur an Unterrichtstagen bis 16.00 Uhr gewährleistet. Eine sonstige Betreuungsmöglichkeit am Wohnsitz der Beklagten bestehe nicht.

Hinzukomme, dass die Beklagte nach Beendigung der Fremdbetreuung ihrerseits mehr Betreuungsleistungen für die gemeinsame Tochter der Parteien erbringe. Ein 11-jähriges Kind, das gerade von der Grundschule zum Gymnasium gewechselt sei, bedürfe besonderer Unterstützung durch den erziehenden Elternteil. Die schulischen Anforderungen seien erheblich gestiegen, auch gute Schüler seien gezwungen, nachmittags den Lernstoff zu vertiefen.

Neben der schulbezogenen Unterstützung und Betreuung müsse der erziehende Elternteil weitere Betreuungsleistungen für das ihm anvertraute Kind erbringen. Hierzu gehöre neben der teilweise aufwendigen Freizeitgestaltung auch die zeitintensive Wahrnehmung von Arztterminen.

All dies seien Anforderungen, die bei der Bemessung der zumutbaren Arbeitszeit eines allein betreuenden Elternteils zu berücksichtigen seien. Der betreuende Elternteil müsse zum einen nach Beendigung seiner Arbeitszeit noch ausreichend Kraft haben, um den Belangen des Kindes gerecht zu werden, zum anderen dürften Arbeitstätigkeit und alleinige Kinderbetreuung nicht ...

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