I. Rechtsgrundlagen
Rz. 124
Rechtliche Grundlage eines Insolvenzverfahrens gegen natürliche und juristische Personen mit Sitz in Estland ist die estnische Insolvenzordnung (Pankrotiseadus), nachfolgend InsO. Neben dem Insolvenzverfahren gibt es in Estland seit 4.12.2008 mit dem Sanierungsgesetz (Saneerimisseadus) unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit, durch ein Restrukturierungsverfahren die Gesellschaft vor der Insolvenz zu bewahren. Neben der InsO findet seit dem Beitritt Estlands zur EU auch die EuInsVO, welche das Insolvenzrecht innerhalb der EU regelt, Anwendung. Grundsätzlich wird das Insolvenzverfahren im Mitgliedstaat des Sitzes des Schuldners nach der nationalstaatlichen Verfahrensordnung durchgeführt (Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 EuInsVO).
II. Insolvenzgrund und Insolvenzverfahren
Rz. 125
Eine juristische Person wird als insolvent bezeichnet, wenn sie nicht in der Lage ist, die Forderungen der Gläubiger zu erfüllen und die Zahlungsunfähigkeit, entsprechend der finanziellen Situation des Schuldners, nicht nur vorübergehend ist. Eine juristische Person ist ebenfalls insolvent, wenn die Aktiva des Schuldners nicht ausreichen, die Verbindlichkeiten zu decken und aufgrund der finanziellen Situation des Schuldners der Mangel nicht nur vorübergehend ist. Ob die Voraussetzungen der Insolvenz bei dem Unternehmen vorliegen, entscheidet das zuständige Gericht (§ 31 Abs. 1 InsO). Sofern kein Zurückweisungsgrund besteht, wird das Insolvenzverfahren innerhalb von zehn Tagen nach Antragstellung durch Beschluss eröffnet. Ein Zurückweisungsgrund liegt vor, wenn laut Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters keine Insolvenz besteht, aber grundsätzlich auch dann, wenn das verbliebene Vermögen die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht deckt. Gleichzeitig mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird durch das Gericht ein Insolvenzverwalter (Masseverwalter) bestellt. Sowohl der Schuldner als auch der antragstellende Gläubiger können den Eröffnungsbeschluss des Gerichts anfechten. Gläubiger müssen ihre Ansprüche grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses, mit dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, anmelden.
Rz. 126
Ein Gläubiger ist berechtigt Insolvenzantrag zu stellen, wenn er einen der in § 10 Abs. 2 InsO genannten Gründe geltend machen kann, z.B. wenn der Schuldner dem Unternehmen bewusst Vermögen entzogen hat oder durch einen gravierenden Fehler in der Geschäftsführung die Insolvenz verursachte. Weiterhin kann ein Insolvenzantrag eingereicht werden, wenn der Schuldner eine Forderung innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit nicht erfüllt hat und sie sodann auch nicht innerhalb von 10 Tagen begleicht, nachdem ihr der Gläubiger schriftlich angedroht hat, einen Insolvenzantrag zu stellen. Beträgt das Nettovermögen der OÜ weniger als 2.500 EUR, haben die Gesellschafter entweder eine Kapitalerhöhung auf mindestens 2.500 EUR oder die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen. Andernfalls bleibt nur ein Insolvenzantrag.
III. Insolvenzantragspflicht
Rz. 127
Bei der OÜ besteht nach § 180 Abs. 5 S. 1 HGB die Pflicht des Geschäftsführers, unverzüglich, d.h. innerhalb 20 Tagen nach Eintritt eines Insolvenzgrundes, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn dieser Grund nicht nur vorübergehend besteht.
IV. Haftung der Geschäftsführer
Rz. 128
Nach Eintritt der Insolvenz dürfen die Geschäftsführer der Gesellschaft keine Zahlungen in deren Namen mehr veranlassen, es sei denn, diese erfolgen mit Rücksicht auf die notwendige Sorgfalt in dieser Situation. Die Geschäftsführer haften gegenüber der Gesellschaft für Zahlungen, die entgegen der notwendigen Sorgfalt nach Eintritt der Insolvenz getätigt werden. Wird eine Gesellschaft für insolvent erklärt, verwaltet der Insolvenzverwalter das Eigentum des Schuldners, und die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens verliert das Recht, über dieses Eigentum zu verfügen.
V. Haftung der Gesellschafter
Rz. 129
Gemäß § 188 Abs. 1 HGB haften die Gesellschafter einem Dritten gegenüber für den ihm vorsätzlich zugefügten Schaden.