Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Nationale Regelung, nach der Bühnenarbeitnehmer, die das Rentenalter erreicht haben, ihre Tätigkeit übergangsweise bis zu dem zuvor für einen Rentenanspruch vorgesehenen Alter von 47 Jahren für Frauen und 52 Jahren für Männer weiter ausüben können
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 2006/54/EG
Beteiligte
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma |
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma |
Tenor
Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie Art. 3 Abs. 7 des in das Gesetz Nr. 100 vom 29. Juni 2010 umgewandelten Gesetzesdekrets Nr. 64 vom 30. April 2010 in seiner auf den Sachverhalt der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung, nach der als Tänzer beschäftigte Arbeitnehmer, die das in dieser Regelung für Frauen und für Männer auf 45 Jahre festgesetzte Renteneintrittsalter erreicht haben, während einer Übergangszeit von zwei Jahren eine Option wahrnehmen können, die ihnen die weitere Ausübung ihrer Berufstätigkeit ermöglicht, bis sie die in der zuvor geltenden Regelung vorgesehene Altersgrenze für die Weiterbeschäftigung von 47 Jahren für Frauen und 52 Jahren für Männer erreichen, eine nach dieser Richtlinie verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts schafft.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidungen vom 15. Februar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2017, in den Verfahren
Manuela Maturi,
Laura Di Segni,
Isabella Lo Balbo,
Maria Badini,
Loredana Barbanera
gegen
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma
und
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma
gegen
Manuela Maturi,
Laura Di Segni,
Isabella Lo Balbo,
Maria Badini,
Loredana Barbanera,
Luca Troiano,
Mauro Murri (C-142/17)
und
Catia Passeri
gegen
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma (C-143/17)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits, des Richters A. Borg Barthet und der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23) und von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen mehreren als Tänzer beschäftigten Arbeitnehmern und der Fondazione Teatro dell'Opera di Roma (im Folgenden: Stiftung) über ihre Entlassung wegen Erreichung der Altersgrenze für die Weiterbeschäftigung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 „Gegenstand”) der Richtlinie 2006/54 bestimmt:
„Ziel der vorliegenden Richtlinie ist es, die Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sicherzustellen.
Zu diesem Zweck enthält sie Bestimmungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in Bezug auf
- den Zugang zur Beschäftigung einschließlich des beruflichen Aufstiegs und zur Berufsbildung,
- Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts,
- betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit.
Weiter enthält sie Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Verwirklichung durch die Schaffung angemessener Verfahren wirksamer gestaltet wird.”
Rz. 4
In Art. 2 „Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie heißt es:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚unmittelbare Diskriminierung’ eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
- ‚mittelbare Diskriminierung’ eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerech...