Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; AEUV Art. 267

 

Beteiligte

Naderhirn

Manfred Naderhirn

Mag. Jungwirth u. Mag. Fabian OHG

Krenn KG

Michael Weber

Übermaßer KG

Gundhild Mayr

 

Tenor

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Rechtslage entgegensteht, die zum einen dadurch gekennzeichnet ist, dass innerstaatliche Vorschriften zur Regelung der Frage fehlen, wie ein nationales Gericht in den bei ihm anhängigen Rechtssachen dem Umstand Rechnung zu tragen hat, dass nach einem Urteil des Gerichtshofs eine nationale Vorschrift als unionsrechtswidrig anzusehen ist, und zum anderen durch das Vorliegen innerstaatlicher Vorschriften, nach denen das fragliche Gericht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch ein anderes nationales Gericht gebunden ist, sofern das fragliche nationale Gericht aufgrund einer solchen innerstaatlichen Rechtsvorschrift daran gehindert wäre, sicherzustellen, dass der Vorrang des Unionsrechts ordnungsgemäß gewährleistet wird, indem es im Rahmen seiner Zuständigkeiten alle hierfür erforderlichen Maßnahmen ergreift.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 8. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 2014, in dem Verfahren

Manfred Naderhirn

gegen

Mag. Jungwirth u. Mag. Fabian OHG,

Krenn KG,

Michael Weber,

Übermaßer KG,

Gundhild Mayr

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J. Malenovský (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 267 AEUV sowie des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens zwischen Herrn Naderhirn einerseits und der Jungwirth und Fabian OHG, der Krenn KG, Herrn Michael Weber, der Übermaßer KG und Frau Gundhild Mayr andererseits betreffend die Neuerrichtung einer Apotheke im Gebiet der Gemeinde Leonding (Österreich).

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

§ 10 des Apothekengesetzes in der Fassung des im BGBl. I 41/2006 veröffentlichten Gesetzes (im Folgenden: ApG) bestimmt:

„(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

  1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
  2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

  1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen … (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind oder
  2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder
  3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

…”

Rz. 4

§ 63 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes von 1985 (BGBl. 10/1985) sieht vor:

„Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.”

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Rz. 5

Mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom 19. März 2010 war Herrn Naderhirn eine Konzession zum Betrieb seiner öffentlichen Apotheke mit einem bestimmten Standortgebiet erteilt worden. Am 2. Februar 2011 beantragte er eine Erweiterung dieses Standorts auf das Gebiet der Gemeinde Leonding.

Rz. 6

Mit Bescheid vom 18. Juli 2011 wies die betreffende Bezirksverwaltungsbehörde seinen Antrag ab.

Rz. 7

Gegen diesen Bescheid wurde Berufung eingelegt.

Rz. 8

Mit Erkenntnis vom 10. August 2011 gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich dieser Berufung statt, hob den genannten Bescheid auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurück an die Erstbehörde.

Rz. 9

Nach Einholung entsprechender Stellungnahmen der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer wies die fragliche Behörde den Antrag auf Erweiterung des Standorts der in Rede stehenden Apot...

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