Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang von Unternehmen. Möglichkeit, sich gegenüber einem Einzelnen auf eine Richtlinie zu berufen. Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Vertrages auf den Erwerber

 

Normenkette

EuGH-VerfO Art. 104; Richtlinie 2001/23/EG

 

Beteiligte

Sozialhilfeverband Rohrbach

Sozialhilfeverband Rohrbach

Arbeiterkammer Oberösterreich

Österreichischer Gewerkschaftsbund

 

Tenor

1. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung des Privatrechts, deren einziger Gesellschafter ein öffentlich-rechtlicher Sozialhilfeverband (Gemeindeverband) ist, gehört zu den Einrichtungen, denen die Artikel 3 Absatz 1 und 1 Absatz 1 Buchstabe c Satz 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen entgegengehalten werden können.

2. Eine ihren Betrieb veräußernde staatliche Einrichtung kann sich nicht gegenüber einem Arbeitnehmer auf die Artikel 3 Absatz 1 und 1 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2001/23 berufen, um ihm die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses zu einem Erwerber zur Pflicht zu machen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 4. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2003, in dem Verfahren

Sozialhilfeverband Rohrbach

gegen

Arbeiterkammer Oberösterreich,

Österreichischer Gewerkschaftsbund

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts über die Absicht des Gerichtshofes, nach Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c und 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Sozialhilfeverband Rohrbach, einem öffentlich-rechtlichen Sozialhilfeverband (Gemeindeverband) (im Folgenden: Sozialhilfeverband), einerseits und der Arbeiterkammer Oberösterreich (im Folgenden: Arbeiterkammer) und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft öffentlicher Dienst (im Folgenden: Gewerkschaftsbund), andererseits über die Frage, ob die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer des Sozialhilfeverbandes auf zwei neue gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung übergegangen sind.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3 Die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) in der Fassung der Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) wurde durch die Richtlinie 2001/23 kodifiziert. Diese Richtlinie trat am 11. April 2001 in Kraft. Eine neue Umsetzungsfrist wurde bei dieser Gelegenheit nicht gesetzt.

4 In seiner ersten Frage bezieht sich das vorlegende Gericht auf die Richtlinie „77/187/EWG in der Fassung der Richtlinie 98/50/EG (jetzt: Richtlinie 2001/23/EG)”.

5 Da der Übergang, um den es im Ausgangsverfahren geht, nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2001/23 erfolgt ist, ist diese Richtlinie einschlägig.

6 Artikel 1 Absatz 1 dieser Richtlinie bestimmt:

1.

  1. „Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
  2. Diese Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang im Sinne dieser Richtlinie.”

7 Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie lautet:

„Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpun...

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