Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Konzessionsvergabe. Freiheit der öffentlichen Auftraggeber bei der Festlegung und Durchführung des Verfahrens zur Auswahl des Konzessionsnehmers. Nationale Regelung, wonach bei Verträgen über Autobahnkonzessionen keine Projektfinanzierung erlaubt ist

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 2014/23/EU Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 30

 

Beteiligte

Autostrada Torino Ivrea Valle D'Aosta

Autostrada Torino Ivrea Valle D'Aosta – Ativa SpA

Presidenza del Consiglio dei Ministri

Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti

Ministero dell'Economia e delle Finanze

Autorità di regolazione dei trasporti

 

Tenor

Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe in Verbindung mit Art. 30 und den Erwägungsgründen 5 und 68 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift nicht entgegensteht, die es den Vergabebehörden untersagt, abgelaufene oder auslaufende Autobahnkonzessionen im Verfahren der Projektfinanzierung gemäß Art. 183 des Decreto legislativo n. 50 – Codice dei contratti pubblici (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 50 – Gesetzbuch über öffentliche Aufträge) vom 18. April 2016 zu vergeben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 13. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 2019, in dem Verfahren

Autostrada Torino Ivrea Valle D'Aosta – Ativa SpA

gegen

Presidenza del Consiglio dei Ministri,

Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti,

Ministero dell'Economia e delle Finanze,

Autorità di regolazione dei trasporti,

am Verfahren beteiligt:

Autorità di bacino del Po,

Regione Piemonte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer),

unter Mitwirkung des Richters D. Šváby (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

den folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 30 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1) in Verbindung mit dem 68. Erwägungsgrund dieser Richtlinie.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Autostrada Torino Ivrea Valle d'Aosta – Ativa SpA (im Folgenden: Ativa) gegen die Presidenza del. Consiglio dei Ministri (Präsidium des Ministerrats, Italien), das Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti (Ministerium für Infrastruktur und Verkehr, Italien, im Folgenden: MIT), das Ministero dell'Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, Italien) sowie die Autorità di regolazione dei trasporti (Regulierungsbehörde für das Verkehrswesen, Italien) führt, weil das MIT zwei von Ativa eingereichte Vorschläge für Projektfinanzierungen abgelehnt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 5, 8 und 68 der Richtlinie 2014/23 lauten:

„(5) Mit dieser Richtlinie wird das Recht der Mitgliedstaaten und ihrer Behörden bestätigt und bekräftigt, darüber zu entscheiden, welche Verwaltungsinstrumente ihrer Ansicht nach am besten geeignet sind, um Bau- oder Dienstleistungen erbringen zu lassen. Insbesondere sollte mit dieser Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten und ihrer Behörden, darüber zu entscheiden, ob Bau- oder Dienstleistungen für die Öffentlichkeit direkt erbracht oder Dritte damit beauftragt werden, in keiner Weise beschränkt werden. Mitgliedstaaten oder die Behörden sollten auch weiterhin im Einklang mit dem Unionsrecht die Merkmale der zu erbringenden Dienstleistungen, einschließlich qualitativer oder preislicher Anforderungen definieren und festlegen können, um Ziele von öffentlichem Interesse zu erreichen.

(8) Für Konzessionen in Höhe oder oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts ist es zweckmäßig, auf der Grundlage der Grundsätze des AEUV ein Mindestmaß an Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe vorzusehen, um die Öffnung der Vergabeverfahren für den Wettbewerb sicherzustellen und eine angemessene Rechtssicherheit zu gewährleisten. Diese Koordinierungsbestimmungen sollten nicht über das für die Erreichung der vorstehend genannten Ziele erforderliche Maß hinausgehen und für ein gewisses Maß an Flexibilität sorgen. Den Mitgliedstaaten sollte es freistehen, diese Bestimmungen zu ergänzen und weiterzuentwickeln, wenn sie dies für sinnvoll halten, um insbesondere die Wahrung der obigen Grundsätze besser sicherzustellen.

(68) Konzessionen sind in der Regel langfristige, komplexe Vereinbarungen, bei denen der Konzessionsnehmer Verantwortlichkeiten und Risiken übern...

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