Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unternehmensübergang. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Auslegung der Richtlinie 2001/23/EG. Veräußerer, gegen den ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Garantie der Nichtübernahme bestimmter Schulden des veräußerten Unternehmens durch den Erwerber
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 2001/23/EG
Beteiligte
Gimnasio Deportivo San Andrés |
Gimnasio Deportivo San Andrés SL in Liquidation |
Tenor
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass
- sie, falls im Rahmen eines Unternehmensübergangs gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und sich der betreffende Mitgliedstaat dafür entschieden hat, von Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie Gebrauch zu machen, den Mitgliedstaat nicht daran hindert, vorzusehen oder zuzulassen, dass die zum Zeitpunkt des Übergangs bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Lasten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder -verhältnissen, einschließlich der Lasten im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Sozialversicherungssystem, nicht auf den Erwerber übergehen, sofern dieses Verfahren einen Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet, der dem durch die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers begründeten Schutz zumindest gleichwertig ist; dem Mitgliedstaat ist es allerdings nicht verwehrt, vorzusehen, dass der Erwerber diese Lasten auch bei Zahlungsunfähigkeit des Veräußerers zu tragen hat.
- sie vorbehaltlich von Art. 3 Abs. 4 Buchst. b keine Verpflichtungen in Bezug auf die Lasten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder -verhältnissen vorsieht, die vor dem Übergang beendet waren, aber dem nicht entgegensteht, dass die Regelung der Mitgliedstaaten den Übergang dieser Lasten auf den Erwerber zulässt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Barcelona (Spanien) mit Entscheidung vom 11. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2013, in dem Verfahren
Gimnasio Deportivo San Andrés SL in Liquidation,
Beteiligte:
Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS),
Fondo de Garantía Salarial
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin sowie der Richter A. Borg Barthet und F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Gimnasio Deportivo San Andrés SL in Liquidation, vertreten durch G. Atarés París, Konkursverwalter,
- der Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS), vertreten durch M. F. Mijares García-Pelayo als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der in Liquidation befindlichen Gimnasio Deportivo San Andrés SL (im Folgenden: Gimnasio) angestrengten Verfahrens zu der Frage, bezüglich welcher Schulden von Gimnasio dem Erwerber erlaubt werden konnte, sie im Rahmen der Übertragung der Tätigkeiten dieser Gesellschaft auf ihn nicht zu übernehmen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 lautet:
„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.”
Rz. 4
Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:
„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a) ‚Veräußerer’ ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 als Inhaber aus dem Unternehmen, dem Betrieb oder dem Unternehmens- bzw. Betriebsteil ausscheidet.
b) ‚Erwerber’ ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder den Unternehmens- bzw. Betriebsteil...